Foto: Yasemin Roos
aj’s trivia*
(Folge 98)
*trivia: „wissenswerte Kleinigkeiten, „dies und das, manchmal auch Kurioses“ [Wikipedia]
Freitag, 28. Juni. Ein kleines Lebenszeichen aus dem Backofen (hinter mir wimmert der Ventilator und gibt sich alle Mühe, allein scheint die Mühe recht vergeblich). Morgen geht’s in den Urlaub, aber vorher will ich noch eben eine kleine Bestandsaufnahme machen. Wie war der Juni bis hier hin? Ich habe meine Skills bezüglich des Spazierengehens (um den Unterbacher See) beträchtlich verbessert. Sind wir die 6km-Runde anfänglich noch in 1:58:00 gegangen (zugegebenermaßen mit zwei Pausen – es gibt einfach zu viele Biergärten um den See herum), waren wir zuletzt schon bei 1:13:55. Nicht so schlecht mit nur einem funktionierenden Hüftgelenk, finde ich …
Meine Highlights in diesem Monat waren ganz sicher meine Vortragsveranstaltungen in Flensburg, Magdeburg und Berlin. Am meisten „Spektakel“ gab es sicher in Berlin (IBM hat sich nicht lumpen lassen und einen tollen Rahmen geschaffen – Stefan hat HIER einen tollen Bericht dazu geschrieben), aber Flensburg und Magdeburg fand ich ehrlicherweise genau so schön. Viele Menschen sind gekommen, um sich anzuhören, was ich zu erzählen und zu zeigen hatte und ich habe viele Stunden mit ihnen verbracht. Nicht nur einmal wurde ich gefragt „Warum machst Du das eigentlich?“ und „Lohnt sich das für Dich überhaupt?“ und meine Antwort ist stets die gleiche: „Weil es mir Spass macht!“. Und genau deswegen „lohnt“ es sich auch. Natürlich kostet eine solche Reise mehr Geld als man hinterher durch ein paar Buchverkäufe vor Ort in der Kasse hat, aber darum geht es mir nicht. Ich will die Menschen kennenlernen, die meine Bildbände kaufen. Die mir Nachrichten schreiben. Die ich bisher nur „virtuell“ aus dem Netz kenne. Ich will mich mit ihnen austauschen und ich freue mich über ihr Feedback. Von jeder Station nehme ich irgendetwas für mich mit. Ein Gespräch, einen neuen Kontakt und manchmal auch Fragen, die mir bisher noch niemand gestellt hat. Nicht zu vergessen das leckere Fischbrötchen in Flensburg und das nicht minder leckere Bier in Magdeburg. Und die Technik in Berlin … meine Güte – zum ersten Mal habe ich meine Bilder auf eine LED-Leinwand projeziert gesehen. Das war schon ganz schön beeindruckend.
Für mich persönlich waren die Veranstaltungen ein voller Erfolg. Nicht monetär, aber es fühlt sich gut an. Und natürlich werde ich das wiederholen. Schon bald, hoffentlich. 40 Personen sind nach Flensburg gekommen, 50 nach Magdeburg und 80 nach Berlin. Hatte ich nicht im letzten Absatz noch behauptet, dass VIELE Menschen gekommen sind? Habe ich und ich finde, 170 Personen an drei Standorten sind sehr viele Menschen und ich bin dankbar dafür. Wir reden über künstlerische Fotografie in einer Nische – nicht über ein Stadionkonzert. Machen wir uns nichts vor – auch wenn die sozialen Medien einen anderen Eindruck erwecken wollen: Fotografie (insbesondere die künstlerische Fotografie) ist KEIN Massenphänomen! Es war, ist und bleibt immer eine Nische und damit sollte man sich als Künstler tunlichst abfinden. Und eigentlich sollte das auch nicht schwerfallen, wenn man mit Spass und Leidenschaft bei der Sache ist. Stellt sich der Spass und die (vermeintliche) Leidenschaft erst durch „Feedback“ in den sozialen Medien ein, läuft es meines Erachtens in die falsche Richtung. „Als Künstler*In“ will man doch aber zwangsläufig auch, dass andere seine/ihre Kunst wahrnehmen!“ höre ich oft als Argument und diese Aussage ist natürlich menschlich und nachvollziehbar, aber ich glaube kaum, dass ein echter Künstler sich davon abhängig macht.
Habt Ihr in Eurem Freundeskreis Jemanden, der eine Randsportart betätigt? Sagen wir Bogenschiessen oder (weil es so gut zu einem aktuellen Kinofilm passt) Synchronschwimmen. Oder Hockey oder auch Volleyball (eben alles ausser Fussball, Tennis und Formel 1, die etwa 2% aller Sportarten darstellen, aber 99% der Aufmerksamkeit auf sich ziehen). Ist diese Bogenschützin oder dieser Synchronschwimmer vielleicht sogar richtig gut und bei nationalen Wettkämpfen unterwegs? Dann geht doch das nächste Mal, wenn ihr ihn oder sie trefft, hin und fragt, warum sie eigentlich nicht Fussball spielen? Wo sie da doch viel mehr Aufmerksamkeit bekommen und regelmässig im TV zu sehen wären? Ich bin gespannt, wie diese Sportler reagieren – ich kann es mir aber fast schon denken … Man macht es, weil man es a) kann, b) möglicherweise Talent hat, c) hoffentlich Spass hat und d) bestenfalls ganz viel Leidenschaft dafür aufbringt. Wenn a), b), c) und d) nicht zutreffen, lässt man es sinnvollerweise bleiben und sucht sich stattdessen etwas anderes (oder meldet sich für das „Supertalent“ auf RTL an).
Ich lerne durch die Fotografie viele Menschen kennen – Menschen vor und hinter der Kamera. Und am meisten Spass machen mir Menschen, deren Augen glänzen, wenn sie mir von dem erzählen, was sie machen. Deren Leidenschaft fast greifbar ist. Die eine unbändige Lust haben auf das, was sie tun. Sei es analog zu fotografieren oder regelmässig nackt im Wald fotografiert zu werden. Oder ein Faible für Makrofotografie haben und frühmorgens am Tümpel zu liegen und Libellen fotografieren. Die positiv Verrückten, die Nerds, die Unangepassten. Menschen, die nicht selten gar kein Social Media Account haben. Und die trotzdem glücklich sind – oder vielleicht sogar deswegen? Weil sie sich selbst genügen?
Auf meiner Tour wurde ich erneut zu dem Thema „Aktfotografie und Online-Präsentation“ befragt. Dass es ja immer schwerer wäre, eine adäquate Plattform zu finden, wo man seinen „Nackt-Kram“ noch zeigen kann. Einerseits mag man das bedauerlich finden, dass es auf immer mehr Online-Plattformen Einschränkungen gibt diesbezüglich (zum Thema Prüderie und Hysterie habe ich mich ja schon des öfteren ausführlich ausgelassen), aber andererseits darf man die Frage stellen, ob Webseiten wie 500px und Co. (von Facebook und Instagram wollen wir bitte in diesem Zusammenhang gar nicht erst reden) überhaupt der richtige Platz für künstlerische Fotografie sind? Man hat dann als Künstler zwar theoretisch (!) eine grössere Reichweite, aber ehrlicherweise geht sie doch fast immer auf Kosten echter Wertschätzung. In der Regel wird auf solchen Plattformen konsumiert – nicht wertgeschätzt. Ich kann meine Bilder bei McDonalds aushängen statt in der Kunstgalerie. Gesehen werden sie dann von deutlich mehr Menschen, aber sonst?
Echtes Interesse für Kunst lässt sich nach meiner Erfahrung nicht beliebig skalieren. Ansonsten würden Fotografen mit vielen Followern auf Instagram auch automatisch mehr von ihrer Kunst verkaufen können als Fotografen mit wenigen Followern. Fotografie ist nicht das große Gesellschaftsthema, wie es häufig suggeriert wird. Die Tatsache, dass täglich Hunderte Millionen an Bildern online hochgeladen werden, sagt nichts über den Stand und den Stellenwert der FOTOGRAFIE aus – schon gar nicht über den der künstlerischen Fotografie. Nicht falsch verstehen: die sozialen Medien (in meinem Fall Instagram) können hilfreich sein, um auf sich aufmerksam zu machen (insofern wäre es auch gar nicht so abwegig, seine Bilder mal bei McDonalds hinzuhängen), aber diese Aufmerksamkeit ist tatsächlich auch erst mal nur das. Sie sagt nichts über die Wertigkeit dessen aus, was man als Künstler macht. Letzte Woche waren die beste Ehefrau und ich im Kino. „Women Stories“ – der Film über Peter Lindbergh, einem der größten Fotografen unserer Zeit. Mit uns zusammen waren 8 (!) weitere Menschen im Kino. In einem Film über einen der größten Fotografen unserer Zeit (ich weiss, dass ich mich hier wiederhole). JEDER andere Film an diesem Tag hatte mehr Besucher. Und was sagt das jetzt aus? Ausser das, was ich bereits oben erwähnte? Fotografie ist eine Nische. Die schönste der Welt. Nicht mehr und nicht weniger. Basta!
Fazit: fotografiert oder lasst Euch fotografieren, weil Ihr Spass daran habt. Weil Ihr Leidenschaft dafür habt. Zeigt die Ergebnisse den Menschen, die es wirklich interessiert. Die es wirklich wertschätzen. Zeigt es ihnen in gedruckter Form – der einzigen Ausdrucksform, die in der Fotografie Relevanz und Wertigkeit hat. Freut Euch über jeden Einzelnen, den das interessiert. Macht ein kleines Büchlein in Miniauflage und freut Euch, dass diese Mini-Auflage verkauft wird. Dass es Menschen gibt, die für Eure Kunst bezahlen – und sei es nur ein paar Euro. Wollt Ihr dagegen die ganz grosse Aufmerksamkeit und maximalen Reichtum, werdet Profi-Fussballer – oder meldet Euch für das RTL-Supertalent an. Das mit dem Reichtum kann ich dann aber nicht garantieren …
Morgen geht’s mit der besten Ehefrau von Allen nach Irland und wir freuen uns auf großartige Landschaften, nette Menschen und ganz viel Bier …
In diesem Sinne: haltet die Ohren steif und bleibt mir gewogen!
Cheers!
Andreas