aj’s trivia (#90) – Januar 2019

Foto: Yasemin Roos
 
aj’s trivia*
(Folge 90)
 
*trivia: „wissenswerte Kleinigkeiten, „dies und das, manchmal auch Kurioses“ [Wikipedia]
 
Elia Kazan war ein US-amerikanischer Regisseur mit griechischen Wurzeln, dem wir Filmklassiker wie „Endstation Sehnsucht“, „Die Faust im Nacken“ und „Jenseits von Eden“ zu verdanken haben. Dieser Elia Kazan hat in seiner Autobiographie mal einen Satz geschrieben, den ich meiner heutigen trivia in den Mittelpunkt rücken möchte:

„Künstlerisches Talent ist nur der Schorf, der sich auf den Wunden des Lebens gebildet hat“.

Natürlich ist diese Aussage eine diskutable, aber ich persönlich finde, dass er mit ihr den Nagel auf den Kopf trifft. Insbesondere wenn wir künstlerisches Talent mit der Fähigkeit gleichsetzen, andere Menschen mit dem, was man tut, zu berühren. Etwas in ihnen auszulösen. Das gilt für alle Bereiche der Kunst und natürlich auch für die Fotografie. Wenn wir uns einfach mal fragen, was eigentlich der Grund dafür ist, dass uns einige Bilder mehr berühren als andere, so kommen wir in vielen Fällen darauf, dass diese besonderen Bilder SEELE haben. Das ist schwer zu beschreiben und das klingt häufig auch kitschig, aber diese Bilder haben einfach „etwas“.
 

 
Bliebe nur noch zu klären, woher dieses „etwas“ kommt und ich denke, dass neben all den einschlägigen Parametern wie Bildschärfe, -aufbau und -schnitt doch der Fotograf respektive die Fotografin entscheidend dafür ist, einem Bild „Seele“ zu geben. Weil er/sie etwas sieht, was andere nicht sehen. Oder weil er/sie die Dinge anders sieht als andere. Es ist das individuelle SEHEN, dass die Arbeiten verschiedener Fotografen voneinander unterscheidet. Und das ist so, weil der „Schorf“ bei diesen verschiedenen Fotografen unterschiedlich ausgeprägt ist. Und je mehr Wunden man als Mensch davon getragen hat (je mehr Erfahrungen man gemacht hat), desto ausgeprägter ist dieser Schorf.
 
Nicht selten hört man beim Besuch von Fotoausstellungen den Spruch einzelner Besucher „das hätte ich auch machen können“ („wenn ich auch das Model gehabt hätte“ oder „wenn ich diese tolle Location zur Verfügung gehabt hätte“ oder oder oder), aber ist das wirklich so? Ich persönlich glaube das nicht. Womöglich in der Theorie, aber in der Praxis ist es so, dass wir alle unterschiedlich SEHEN. Weil wir unterschiedlich vom Leben konditioniert sind. Weil unser „Schorf“ unterschiedlich ausgeprägt ist.
 
DAS ist es, was die Fotografie ausmacht – seine persönliche Individualität in die Bilder einfliessen zu lassen. Und umgekehrt bedeutet es auch, dass immer dann, wenn das NICHT passiert, die Bilder seelenlos sind. Die Gründe dafür, dass es nicht passiert, sind vielfältig, aber es hat nach meinem Dafürhalten immer mit dem Menschen hinter der Kamera zu tun. Vielleicht ist da einfach (noch) kein „Schorf“ oder er ist da und man ist sich dessen nicht bewusst. Oder man ist sich dessen bewusst, will ihn aber nicht mit anderen teilen. Es gibt nicht von ungefähr den Spruch „jedes gute Porträt beinhaltet mindestens genau so viel vom Fotografen wie vom Porträtierten“. Umschrieben wird dieser Fakt häufig mit „da steckt ganz viel Herzblut von mir drin“. Passiert das nicht, bleibt die Fotografie meist oberflächlich und austauschbar. Seelenlos.
 
 

 
Mein heutiger Musik-Tipp dreht sich um eine norwegische Band, die hierzulande kaum Jemand kennt, was eindeutig eine Schande ist, weil sie ganz großartige Musik gemacht hat (offiziell hat sie sich aufgelöst, aber für das ein oder andere Konzert kommt sie noch mal zusammen). Die Rede ist von Midnight Choir, die 1994 ihr erstes Album herausgebracht haben. 1998 wurde dann „Amsterdam Stranded“ veröffentlicht, ihr wahrscheinlich bestes Album. Dieses Album gehört wirklich in JEDEN Plattenschrank. Ich habe den Song „Muddy River of Loneliness“ gepickt (alle anderen Songs auf dem Album sind genau so grandios), weil es davon eine tolle Live-Version gibt, bei der man erkennt, was das für tolles Musiker sind. Und tut mir einen Gefallen: wenn Ihr das Album „Amsterdam Stranded“ durchgehört habt (und das solltet Ihr), fragt Euch bitte mal, ob man so eine Musik wirklich machen kann, ohne die ein oder andere Wunde im Leben davon getragen zu haben …
 
Themenwechsel. Vor wenigen Tagen ist es nun also erschienen. Mein neues Artbook mit dem Namen „Friday’s Child“. Ich habe mal nachgezählt: inklusive aller Bildbände, Magazine und Artbooks ist „Friday’s Child“ meine neunte Print-Veröffentlichung, die ich im Eigenverlag herausbringe. Wer jetzt aber glaubt, dass sich da so etwas wie eine Routine einstellt, liegt völlig falsch. Es ist jedes Mal kribbelig und es jedes Mal wieder besonders. Und ich glaube sogar, dass ich noch nie so angespannt war wie dieses Mal. Weil es dieses Mal noch unklarer war, ob und wie es bei den Käufern ankommen wird. Ich höre bereits den Aufschrei der trivia-Leser, die mir zurufen, dass mir das als Künstler doch egal sein muss usw. und das ist ja auch richtig. Bei aller künstlerischen Freiheit und Selbstständigkeit will man so im ganz tiefsten Herzen aber vielleicht doch nicht, dass es jetzt auf einmal alle doof finden. Nur weil man mal was ganz anderes gemacht hat. Vielleicht nicht den Erwartungen entsprochen hat. Natürlich geniesse ich das … dass ich den Mut hatte, das durchzuziehen, dass ich alle Bedenken beiseite geschoben habe, ein wirtschaftliches Risiko in Kauf genommen habe, aber natürlich geniesse ich es auch, dass das Feedback trotzdem (oder genau deswegen?) so positiv ist – wenngleich ich nicht verschweigen will, dass ich auch eine Mail bekommen habe, in der der Absender unverhohlen seine Enttäuschung ausgedrückt hat. Natürlich nehme ich auch solches Feedback ernst und natürlich erhält auch so Jemand eine Antwort von mir. Am Allerwichtigsten ist mir aber, dass ich mich nicht verbiege und dass ich voller Überzeugung sagen kann „so ist es, so wollte ich es und so finde ich es gut, weil es MICH widerspiegelt – mich und meinen Schorf“ …
 
In wenigen Tagen geht es in den Urlaub. In die Sonne. Einfach mal abschalten (im wahrsten Sinne des Wortes), deshalb gibt’s hier an dieser Stelle erst mal Sendepause. Versüssen will ich Euch diese Pause mit einer kleinen Rabattaktion (schaut mal ab Sonntag in meinen Webshop) und mit einem Musik-Tipp, der mir beim Anschauen und Zuhören immer wieder ein Grinsen in’s Gesicht zaubert (Achtung: es kann sein, dass das bei Menschen, die erst Ende der 70er oder später geboren sind, nicht funktioniert – Ihr wisst ja gar nicht, was Ihr verpasst habt!^^).
 
 

 
Die Band Imagination hat in den 80er Jahren zwei tolle Alben veröffentlicht und ein findiger Mensch hat den einen Song („So good, so right“) vom ersten Album genommen und remixed. Und zwar vom Beat her so angepasst, dass er auf die Tanz-Moves von John Travolta aus dem legendären Film „Saturday Night Fever“ von 1977 passt. In keinem anderen Film war ich so oft im Kino wie in diesem und natürlich konnte ich alle Tanzschritte auswendig (und habe sie später sogar Tanzschülern gelehrt).
 
Wer da nicht mitwippt, ist selbst schuld … :)
 
In diesem Sinne: haltet die Ohren steif und bleibt mir gewogen!
 
Cheers!
Andreas
 
 
PS: hört doch auch mal in meinen BUNT-Podcast rein, den ich gemeinsam mit Matthes Zimmermann betreibe …