Foto: Yasemin Roos
aj’s trivia*
(Folge 89)
*trivia: „wissenswerte Kleinigkeiten, „dies und das, manchmal auch Kurioses“ [Wikipedia]
„Da sind sie wieder, […] die langweiligen Fotos. Man weiß wirklich nicht, hat man das alles schon ein paarmal gesehen oder warum kommt das so bekannt vor? […] Keine neuen Ideen, keine Spannung! Ist das wirklich alles, was die Amateurfotografie zu bieten hat? Ermüdende Langeweile und Stagnation?“
Denjenigen, die jetzt den guten alten Zeiten hinterher trauern („früher war mehr Lametta“), sei gesagt, dass der flammende Appell, den ich im ersten Absatz zitiere, aus einem Leitartikel des LFI-Magazins (Leica Fotografie International) aus dem Jahr 1966 stammt! Kann es sein, dass wir angesichts solcher Grössen wie Henri Cartier-Bresson, Ansel Adams und Robert Capa (um nur ein paar zu nennen) die Vergangenheit verklären (eine durchaus menschliche Eigenschaft) und dabei verkennen, dass das Gros der Fotografie schon immer belanglos war – also gar kein Phänomen heutiger Zeit? Nur nicht so offenkundig, weil es damals eben kein Internet gab und keine sozialen Medien, in die man die Belanglosigkeiten (sofort nach ihrer Entstehung) herausblasen konnte. Damals gab es nur eine relevante Art der Zurschaustellung von fotografischen Ergebnissen: Ausstellungen (damals noch „Fotoschauen“ genannt). Dort wurden natürlich nur die (vermeintlich) besten Bilder gezeigt, was die LFI nicht daran hinderte, ebenfalls im Jahr 1966 von einer „Krise der Fotoschauen“ zu berichten. Und zwar von einer Qualität-Krise; denn die Besucherzahlen waren sehr gut. Karl Pawek, ehemaliger „Magnum“-Chef, hatte die erste grosse „Weltausstellung der Fotografie“, eine Wanderausstellung mit über 500 Fotos, die in 36 Ländern gezeigt wurden, organisiert und der Zuspruch war gigantisch.
„Es mag paradox klingen, angesichts des Riesenerfolgs der Pawekschen „Weltausstellung der Fotografie“ von einer Krise der Fotoschauen zu sprechen; es muss aber bedacht werden, dass diese Monstreschau ein Thema hatte und ein sehr aktuelles dazu („Was ist der Mensch?“). Sie gab zwar keine Antwort auf die Frage, was der Mensch sei, aber sie appellierte geschickt an die negativen Schichten im menschlichen Wesen und da diese, genau wie Sex, Kriminelles und andere Sensationen arg in Mode sind, erklärt sich aus beiden Komponenten leicht das starke Echo, das diese Fotoschau in aller Welt gefunden hat.“
Über andere Fotoschauen auf regional-lokaler Ebene schreibt der LFI-Radakteur
„Es ist schade um die Sache der Fotografie. […] Man erweist der Fotografie keinen guten Dienst, wenn man dieses Feld Leuten überlässt, die mehr von der Wirkung der Massenmedien verstehen, während diejenigen, die berufen wären, der Aufgabe nicht gewachsen sind und die versuchen, die Probleme von heute mit den Mitteln von gestern zu lösen.“
Different century, same shit – oder nicht? In jedem Fall wert, drüber nachzudenken.
Übrigens: es ist eben jenem Karl Pawek, seines Zeichens Doktor scholastischer Philosophie, zu verdanken, dass wir eine Antwort auf eine der drängendsten Fragen der Menschen-Fotografie gefunden haben. Nach Sichtung von 40.000 fotografischen Aufnahmen, in denen Menschen abgebildet waren, kam er zu der Erkenntnis: „die Frau ist photogener als der Mann!„.^^
Mein erster Musiktipp für heute habe ich meinem Kollegen Stefan Roehl aus Hamburg zu verdanken, ein mindestens genau so nerdiger Vinyl-Junkie wie ich es bin. Von ihm habe ich den Link zu Alex Henry Foster, einem Typen, den ich bis vor wenigen Tagen nicht kannte und in dessen Musik ich mich sofort verliebt habe. Keine leichte Kost, aber das hier ist ja eh nicht die Abteilung für Fahrstuhlmusik … ;)
Der zweite Musiktipp kommt von einer maßlos unterschätzten Band namens Spoon und der Song ist für mich in mehrfacher Hinsicht interessant: a) mag ich den Song und b) hab ich beim Hören sofort wieder das Bild im Kopf, wie Dr. House mit seinem Wagen in das Wohnzimmer von Lisa Cuddy fährt – dem grandiosen Finale von Staffel 7 der besten Serie aller Zeiten: Dr. House („House, M.D.“). Ich weine dieser Serie mit seinen grandiosen Charakteren tatsächlich die ein oder andere Träne nach – zum Glück gibt’s regelmässige Wiederholungen, die ich mir – wann immer möglich – auch tatsächlich immer wieder anschaue. Macht das Sinn, wenn man die Dialoge fast schon mitsprechen kann? Ich weiss es nicht, aber es muss ja nicht alles einen Sinn ergeben, was man macht …^^
A pro pos Sinn und Unsinn: vielleicht hat sich der ein oder andere die Frage gestellt, warum ich eingangs aus der LFI vom Januar 1966 zitiert habe – ich bin zwar Abonnent dieses Magazins, aber erst seit ca. 20 Jahren. Vielleicht ist das so ein Altersding, aber seit geraumer Zeit habe ich einen grossen Spass daran, mir fotografisches „Kram“ aus meinem Geburtsjahrgang zu kaufen – so besitze ich eine M2 und ein Summicron 50mm von Leica aus dem Jahr 1966. Und seit ein paar Tagen eben auch den kompletten 1966er Jahrgang des LFI-Magazins, das man damals 6x mal im Jahr für 2 DM erwerben konnte. Ebay ist für Jemanden wie mich ein Segen. Und ein Fluch. Ihr wisst, was ich meine …^^
Gestern hat die Releaseparty für mein neues Artbook „Friday’s Child“ stattgefunden und es haben wieder erfreulich viele Menschen nach Haan gefunden, um mit Lani (die ich für „Friday’s Child“ auf Island fotografiert habe) und mir die Veröffentlichung unseres Bildbands zu feiern. Eine schwierige Geburt nach 7 Monaten – aber wie das so immer so ist: wenn Du das Baby dann in den Händen hältst, sind all die „Schmerzen“ und all der Stress sofort vergessen und man ist einfach nur happy. Das Feedback am gestrigen Tage war einhellig positiv, aber wer geht schon bei einer Vernissage zum Künstler und sagt ihm, wie Kagge man seine Arbeiten findet?^^
Was ich gestern sehr oft gehört habe, waren Aussagen im Tenor „ganz was anderes“ und ich muss zugeben, dass mich das freut (auch falls es im ein oder anderen Fall gar nicht positiv gemeint sein sollte – wer weiss das schon). „Expect the unexpected“ – dann wird’s wenigstens nicht langweilig. Die nächste Publikation wird dann vielleicht wieder etwas konventioneller – womit man dann vielleicht auch wieder nicht rechnet (hihi). „Friday’s Child“ ist in jedem Fall ein (weiterer) Meilenstein für mich und das nicht nur wegen den haptischen Veränderungen, von denen ich bereits berichtet habe. So konzeptionell, so fokussiert (sic!) und so komprimiert habe ich noch nie für eine Publikation gearbeitet und ich bin mehr als happy, dass das Konzept aufgegangen ist – ganz unabhängig davon, wie es sich verkaufen wird (zur Sicherheit habe ich letzte Woche noch 3 zusätzliche Kellerregale bestellt und aufgebaut – man weiss ja nie …^^).
Schliessen möchte ich heute mit dem perfekten Fotografen-Song von Spoon: „I turn my camera on“ ist nicht nur wegen des Titels einer meiner ewigen Favoriten Ein unverschämt funkiger Song, der anfangs eher unscheinbar daher kommt, aber hintenraus definitiv in die Beine geht – ich muss auf jeden Fall immer das Zappeln anfangen, wenn ich ihn höre …
In diesem Sinne: haltet die Ohren steif und bleibt mir gewogen!
Cheers!
Andreas
PS: hört doch auch mal in meinen BUNT-Podcast rein, den ich gemeinsam mit Matthes Zimmermann betreibe …