Foto: Yasemin Roos
aj’s trivia*
(Folge 84)
*trivia: „wissenswerte Kleinigkeiten, „dies und das, manchmal auch Kurioses“ [Wikipedia]
Fast drei Wochen ist es her, dass ich meine letzte trivia geschrieben und veröffentlicht habe und seitdem ist eine Menge passiert. Aber noch mal kurz zurückgespult: in trivia #83 habe ich davon erzählt, dass es die beste Ehefrau von Allen schwer erwischt hat und was darauf hin passiert ist, sprengte meine Vorstellungskraft: unzählige Kommentare, Nachrichten und Mails mit aufmunternden Worten – sogar diverse Blumengrüsse sind bei uns eingegangen. Es war einfach der Wahnsinn und wir möchten aus tiefsten Herzen DANKE sagen für so viel Anteilnahme, zumal die vielen gedrückten Daumen ihre Wirkung zeigten und zeigen. Wenn es so weiter geht, können Annette und ich in 2019 wieder voll durchstarten – in neuer Frische sozusagen … :)
Logisch, dass mir das Schreiben unter diesen Vorzeichen wieder sehr viel leichter von der Hand geht, zumal sehr viele schöne – aber auch ein paar „interessante“ – Dinge passiert sind in den vergangenen Tagen, aber dazu später mehr.
Zu den Platten des Jahres 2018 zählt für mich die Musik zum Film „A star is born“ von Lady Gaga und Bradley Cooper. Ich gehe soweit zu sagen, dass der Soundtrack für mich zu den besten der letzten 20 Jahre gehört. Natürlich habe ich mir das Ganze auf Vinyl gegönnt und beim Kauf bin ich u.a. auf die (hervorragenden) Rezensionen auf Amazon gestossen, in denen ich beinahe durchgängig folgende – immer wieder gleichen – Formulierungen nachlesen konnte:
„ich bin eigentlich kein Fan von Lady Gaga, aber …“
„normalerweise ist Lady Gaga nicht so mein Ding …“
„ich wäre nie auf die Idee gekommen, mir Musik von Lady Gaga anzuhören …“
Für mich sind derartige Sätze die Bestätigung dafür, dass die meisten Menschen nur allzu gern in Schubladen denken. Alles und jeder wird kurz begutachtet, etikettiert und in eine Schublade gesteckt. Und da hat er gefälligst auch zu bleiben. Wäre ja auch zu viel verlangt, die Etikettierung zu ändern. Dabei wäre es so schön, einfach mal auf (vorschnelle) Etikettierung zu verzichten. Weil man dann nämlich womöglich feststellen würde, dass er oder sie vielleicht doch viel komplexer/vielschichtiger ist als dass ihm/ihr EIN Etikett überhaupt gerecht werden würde.
Lady Gaga ist eine der großartigsten Musikerinnen unserer Zeit – man muss sie nicht mögen, aber man sollte sie respektieren. Und bevor man entscheidet, ob man sie mag oder nicht, wäre es eventuell hilfreich, nicht nur die Schlagzeilen des Boulevards zu lesen oder ihre ersten Musikvideos zu schauen. Schön, dass sie es jetzt durch einen Film geschafft hat, auch in das Bewusstsein der Menschen zu dringen, die sie bisher für eine Plastik-Hupfdohle mit schlechtem Klamottengeschmack hielten.
Wir sollten uns fragen, ob wir nicht allzu oft Menschen kategorisieren und vorschnell ablehnend auf sie reagieren – nur weil wir sie nicht verstehen oder weil sie „anders“ sind. „Never judge a book by its cover“ – nicht umsonst eines meiner Lieblings-Leitsätze. Lady Gaga war auch mit viel Schminke und komischen Klamotten eine herausragende Sängerin – kaum schminkt sie sich ab und zieht sich „normal“ an, wird sie auch von einer breiteren Mehrheit ernst genommen. Zufall? Sicher nicht. Und irgendwie ganz schön traurig …
Glücklich machen mich solche Veranstaltungen wie mein MeetUp in der vergangenen Woche auf Usedom. Fast 150 Fotografie-Interessierte Menschen haben z.T. irrwitzige Wege auf sich genommen, um in der Adventwoche nach Usedom zu kommen, um sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Und was ich dort erlebt habe – diese Freude, diese Leidenschaft, diese Neugier und diese vielen Glücksmomente, die man miteinander (!) geteilt hat -, haben mir gezeigt, dass „die Community“ (ein furchtbarer Begriff, ich weiss) eben DOCH funktioniert. Richtige Unterhaltungen und keine Sprachnotizen, echter Austausch und kein „ich zeig’s mal auf Facebook“, echte Emotionen und keine fucking Herzchen auf Instagram. Das war wunderbar. Das war gross. Das war einfach nur toll und dafür bin ich dankbar! Und deshalb gibt’s nächstes Jahr im Dezember die Fortsetzung …
Auf Usedom haben Katharina und ich zum letzten Mal unseren Vortrag über die Entstehungsgeschichte unseres gemeinsamen Bildbands gehalten, nachdem die Woche davor das absolute Highlight mit der Präsentation im Kino war und was soll ich sagen: die emotionalen Reaktionen, die wir mit unseren Ausführungen regelmässig auslösten, werden mir wirklich fehlen …
Nur gut, dass die neuen Projekte schon vor der Tür stehen. „The next big thing“ wollte ich ja eigentlich bereits am Sonntag vorstellen, hätte es da nicht ein kleines Problem mit der Druckerei gegeben. Aber wie sagte schon der berühmte deutsche Philosoph Lothar Matthäus:
„wäre, wäre, Fahrradkette!“
Der Loddar – wie kämen wir nur ohne ihn klar …?^^
Was war passiert? Druckerei und Buchbinder haben aneinander vorbei geredet – herausgekommen ist ein wunderschönes Buch namens „Friday’s Child“. Aber leider mit Klebebindung statt – wie vereinbart – mit Fadenheftung. Wer sich ein wenig mit der Materie auskennt, weiss, dass der Unterschied deutlich erkennbar ist. Nicht umsonst kostet Fadenheftung einen deutlichen Aufpreis. Die Entscheidung war deshalb schnell getroffen: es musste neu gedruckt werden – auch wenn dies bedeutet, dass der Veröffentlichungstermin um vier Wochen verschoben werden muss. Und auch für die fehlerhaften Exemplare habe ich mit der Druckerei eine Lösung gefunden, die vermeidet, dass das ganze gute Papier eingestampft werden muss (was aus Umweltgründen sicher eine Todsünde gewesen wäre). Die Klebebindung-Exemplare verkaufe ich voraussichtlich Ende nächsten Jahres zu einem reduzierten Preis – der Nettoerlös kommt einem gemeinnützigen Zweck zu Gute. Und so entpuppte sich der vermeintliche Super-GAU im Nachhinein doch noch zu einer charmanten Lösung, die alle Parteien glücklich macht. Wie sagte mein Freund Josh Terlinden (geboren in Hoboken, USA) auf Usedom: „die Deutschen sehen gern in allem Probleme, die Amerikaner stets die Möglichkeiten„. Josh, ich hoffe, Du bist stolz auf mich! ;)
Christin, Usedom Dez2018
Was war noch? Ach ja: Peter Lindbergh hat eine talentierte deutsche Schlagersängerin namens Helen Fischer fotografiert. Für die VOGUE. Sachen gibt’s …
Die Bilder sind überwiegend grossartig (das Cover-Foto mag ich nicht, aber den Meister wird’s nicht jucken) und die Diskussionen in den sozialen Medien waren zahlreich. Wann immer es um Lindbergh geht, mache ich mir vorab so eine kleine Bingo-Karte und warte, wie lange es dauert, bis ich alle einschlägigen (und erwartbaren) Kommentare abstreichen kann:
„Lindbergh kann sich das leisten!“
„Für mich würde sie das nicht machen.“
„Wenn das unsereins macht, wird er zerrissen“
„so natürlich finde ich das gar nicht“
„ich habe auch schon solche Bilder gemacht“
Nachdem ich die Bilder auf meinem Facebook-Profil zur Diskussion gestellt habe, hat es nur wenige Minuten gedauert, bis ich laut „BINGO“ ausrufen konnte …^^
Es gibt im Zusammenhang mit Peter Lindbergh und seinen vielen phantastischen Kollegen einen Satz, der immer wieder vorkommt und der lautet sinngemäss “
der hat’s ja auch leicht, weil ihm die Stars quasi aus der Hand fressen und alles machen, was er sagt„.
Das stimmt natürlich, aber bei der ganzen Diskussion über den NAMEN und den FAME, den Jemand hat und die Tatsache, dass ihm dieser Name und dieser Fame hier und dort Türen öffnet, die für andere verschlossen bleiben, wird immer wieder vergessen, dass sich die allermeisten diesen Namen und diesen Fame hart erarbeitet haben. Es mag in Zeiten von Instagram und Co., wo jeder zweite glaubt, über Nacht zum „Star“ zu werden, erstaunen, aber Menschen wie Peter Lindbergh haben Jahrzehnte (!) dafür gearbeitet. Sie haben Dreck gefressen und konnten nicht selten in den Anfangszeiten kaum ihre Miete zahlen, aber sie hatten die Leidenschaft, das Durchhaltevermögen UND das Talent, sich durchzubeissen. Es ist das eine, hin und wieder so gute Fotos wie Peter Lindbergh zu machen (viele können das) und es ist das andere, diese Qualität über Jahrzehnten auf diesem Level zu halten. Zuverlässig und hingebungsvoll und immer 20% mehr als erwartet wird. Bei Wind und Wetter. Selbst wenn’s dem Hamster nicht gut geht. Bei Peter Lindbergh kommt wohltuend hinzu, dass Wort und Bild wirklich zusammenpassen. Wofür er einsteht – das sieht man in seinen Bildern (und eben nicht nur seit gestern). Ich gönne Lindbergh jede einzelne seiner (hoffentlich zahlreichen) Millionen. Für mich ist er ein Vorbild – nicht (nur) wegen seiner Bilder, sondern wegen seiner Haltung und seiner Stringenz. Und ich freue mich, dass er auch mit über 70 Jahren immer mal wieder einen „raushaut“ wie jetzt mit der Fischer. Für mich ist das ganz grosses Tennis, weil ich nur erahnen kann, welche Managementtrupps da mitreden wollen. Und wie er die alle auflaufen lässt und eben doch nur SEINE Handschrift hinterlässt. CHAPEAU!
… und wenn die Gaga keinen Oscar für „A star is born“ bekommt, fresse ich einen Besen … QUER!
In diesem Sinne: haltet die Ohren steif und bleibt mir gewogen!
Cheers!
Andreas