Foto: Yasemin Roos
aj’s trivia*
(Folge 81)
*trivia: „wissenswerte Kleinigkeiten, „dies und das, manchmal auch Kurioses“ [Wikipedia]
Heute geht’s um Musik (Überraschung!) und um Fotografie (Überraschung!). Und die Tatsache, dass es hier und dort Phänomene gibt, die irgendwie vergleichbar sind.
Ich sitze hier und habe da diesen unglaublichen Ohrwurm – was daran liegen könnte, dass ich den Song seit einer geschlagenen Stunde in Dauerschleife höre. Und das ist insofern etwas Besonderes, als dass da eine der drei Frauen, aus denen die Band besteht, die ganze Zeit auf dem Banjo spielt. Mit dem Banjo verbindet mich eine ausgeprägte Hassliebe. Eigentlich finde ich das Instrument ja gar nicht schlecht und dennoch besteht eine 150% Chance, dass ich einen Song, der mit Banjo-Begleitung daher kommt, so richtig kagge finde. Keine Ahnung, warum das so ist, aber so ein Banjo nervt mich in der Regel nach etwa 10 Sekunden und leider spielen die Jungs und Mädels, die das spielen können, halt deutlich länger als diese 10 Sekunden. Deswegen: alles mit Banjo landet bei mir in der Restekiste. Und dann kam da dieser Song daher. Band nie gehört und überhaupt: ziemlich komischer Name für ’ne Band. Was ist das überhaupt für ein Stilmix? Hmm … ist ganz okay, lass ich mal laufen … vielleicht packe ich den sogar auf meine Playlist – schlecht isser ja nicht. Am nächsten Tag spiele ich meine Playlist, während ich den üblichen Arbeiten am Computer nachgehe und stutze, als der Song irgendwann an der Reihe ist. Hey, das ist ziemlich gut … ach, den hab ich ja gerade erst gestern zur Playlist hinzugefügt … ja doch, der kann was (und schon drehe ich die Musik lauter und stelle das Arbeiten ein).
Das war gestern und heute läuft der Song wie bereits erwähnt schon seit einer Stunde. Und er wird irgendwie mit jedem Mal Hören besser. Und bevor ich weiter von dem Song schwärme … hier isser:
Ein Song, der sich so langsam in die Gehörgänge schleicht – bis er nicht mehr rausgeht. Unaufdringlich, zurückgenommen, mit leicht brüchiger Stimme vorgetragen – z.T. nur gehaucht. Sparsam instrumentiert und vor allem nicht überproduziert (wie es ansonsten heutzutage ja leider allzu häufig passiert). Ein Song, der nicht breitbeinig daher kommt, der nicht auf den ersten Blick beeindrucken will. Man könnte auch sagen, irgendwie unprätentiös. Ein Song, der sich entwickelt – das was man allenthalben einen „Grower“ nennt. Und ich weiss nicht, ob Ihr es schon mal festgestellt habt, aber die „grower“ sind es, die am längsten nachhallen – das sind die Songs, die man auch Jahre später noch ohne Ermüdungserscheinungen hört. Das können Songs sein, aber auch ganze Alben. Musik, die sich möglicherweise nicht sofort erschliesst, die aber – wenn man sich mit ihr befasst – auf einmal zu strahlen beginnt. Also das Gegenteil vom Sommerhit-Phänomen a la „Ketchup Song“ oder ähnliche Pretiosen. Songs, die einem sofort in’s Ohr gehen (meist gegen den eigenen Willen), die einem aber nach dem 5./10./20. Mal so dermassen auf den Sack gehen, dass einem die Ohren bluten.
Alles das gibt es in der Fotografie auch. Bilder mit dem Knalleffekt, der sich aber allzu oft schnell abnutzt (insbesondere wenn dieser „Knalleffekt“ mal um mal kopiert wird) und dann leider zum visualisierten „Ketchup Song“ mutiert. Und dann gibt es die „leisen“ Bilder. Keine rosa Elefanten, aber dafür mit Geschichte. Möglicherweise nicht „schön“, aber spannend. Technisch unperfekt, aber mit Charakter. Bilder, bei denen man auf den ersten Blick denkt „WTF?“. Man möchte dem Urheber zurufen „was auch immer Du rauchst, rauch weniger davon!“ (oder auch „mehr“ – darüber streiten sich ja die Gelehrten). Ich habe ganze Alben in meinem Plattenschrank, bei denen ich nach einmaligem Hören dachte „Andreas, was hast Du denn da für’n Scheiss gekauft?„. Eines der bekannteren Beispiele ist das Album „Amnesiac“ von Radiohead, das ich damals gekauft habe, weil die Erstpressung auf dem relativ seltenen 10″-Format kam. Und dann legte ich die Platte auf den Plattenteller, um nach wenigen Sekunden erst mal zu checken, ob ich das Ding vielleicht mit der falschen Geschwindigkeit abspiele. Das, was ich da hörte, konnte so ja unmöglich gewollt sein. Offensichtlich aber doch und so schloss ich damals erstmal mit dem Kapitel Radiohead ab. Um es kurz zu machen: heute ist „Amnesiac“ mein Lieblingsalbum von Radiohead, während ich die früheren, sehr viel eingängigeren Sachen von ihnen, kaum noch hören mag.
Genau so ging es mir mit dem Bildband „You and I“ von Ryan McGinley, den ich anfangs auch etwas … irritierend fand und ich mache mir immer einen Spass daraus, nahezu jedem meiner Gäste in meinem Atelier irgendwann ungefragt genau diesen Bildband hinzulegen – um dann zu schauen, was passiert. Das ist einfach kein Bildband, den man „mal eben“ durchblättert und kapiert. Oder sofort gut findet – es sei denn, man ist Student der Fotografie und/oder Kunstgeschichte im mindestens 5. Semester. Aber das Ding ist der Hammer … wirklich! Und sehr inspirierend! Man muss sich nur drauf einlassen. Falls ihr es noch nicht bemerkt habt: dies ist ein Plädoyer für mehr „Tanyas“ und weniger „Ketchup Songs“ …!
Vergangener Montag war ein besonderer Tag: ich habe Montag Abend die ersten beiden Seiten meines neuen Buches geschrieben. Zwei Seiten von geplanten 250 Seiten. Runter geschrieben in einer halben Stunde. Das Beste, was ich seit langer Zeit zu Papier gebracht habe. Und ich habe keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Aber der Anfang ist gemacht. Pro Woche 2 Seiten und ich kann Ende 2020 Vollzug melden, aber zumindest weiss ich jetzt schon mal, in welche Richtung es gehen wird. Eine Mischung aus Autobiographie, Abenteuerroman und „Was ist was?“ (die Älteren erinnern sich vielleicht noch). Gibt es meines Wissens in dieser Form noch nicht auf dem Markt. Höchstwahrscheinlich weil das keiner lesen will. Aber davon lasse ich mich natürlich nicht beirren …^^
Und noch etwas Bemerkenswertes hatte diese Woche: vorgestern war ich zum ersten Mal seit 33 Jahren wieder in der Schule. Angefragt von einem Lehrer (der im letzten Jahr auf einer meiner Veranstaltungen gewesen ist), habe ich vor 22 Schülern der 11. Klasse im Projektkurs Fotografie (warum gab’s das damals eigentlich nicht bei uns in der Schule?) über die Berufsfotografie im Allgemeinen und meine Arbeit im Speziellen erzählt und mich den Fragen der SchülerInnen gestellt. Die straighte Karriere vom Bankkaufmann zum Fotografen hat sie augenscheinlich amüsiert, aber meine wichtigste Lektion an diesem Tag war: „es ist nie zu spät, einen sinnvollen Beruf zu ergreifen!„. ;)
Zum Abschluss noch eine Musikempfehlung – ein Song mit einer der herzergreifendsten Textzeilen aller Zeiten;
„If you tell me of all the pain you’ve had, I’ll never smile again“
Tim ist der Papa von Jeff (so steht’s bei Wikipedia) und mir persönlich gefällt der „Alte“ deutlich besser als der Sohnemann, was allerdings auch mit meinem fortgeschrittenen Alter zu tun haben kann. Wie auch immer – ein guter Song ist ein guter Song ist ein guter Song. BASTA!
Wenn Euch meine Musiktipps gefallen, schaut Euch auch mal meine Spotify-Playlist „under the radar“ an – da gibt’s noch viel mehr davon … :)
Im Übrigen – hättet Ihr es gewusst? In den meisten Armaturenbrettern im Auto zeigt bei der Tankanzeige ein kleiner Pfeil neben der Zapfsäule an, auf welcher Seite sich der Tankdeckel befindet! Wenn Ihr also das nächste Mal im Mietwagen sitzt und darüber nachgrübelt, wie rum Ihr an die Zapfsäule fahren solltet, einfach mal dran denken!
In diesem Sinne: haltet die Ohren steif und bleibt mir gewogen!
Cheers!
Andreas