Foto: Yasemin Roos
aj’s trivia*
(Folge 73)
*trivia: „wissenswerte Kleinigkeiten, „dies und das, manchmal auch Kurioses“ [Wikipedia]
Samstag Mittag. Ich sitze auf der Terrasse bei ca. 35°C im Schatten und beginne mit der ersten trivia seit etwas längerer Zeit. Seit Wochen begleitet uns diese Schweinehitze nun schon und ich habe beschlossen, das gut zu finden. Schliesslich habe ich heute frei. Und morgen auch. Was für ein Luxus – das Leben ist schön …
Im Hintergrund singt Tom Waits von der schreienden Erde und ich bin mehr denn je davon überzeugt, dass er da mit echten Menschenknochen trommelt …
A pro pos Tom Waits: erstmals seit unserer Station in Frankfurt am Montag dieser Woche zeigen Katharina und ich auf unserer „come undone“ – Tour abschließend eine kleine slideshow mit ca. 100 Bildern aus unserem gemeinsamen Bildband – musikalisch unterlegt mit „On the nickel“ von Tom Waits. Und es stellt sich heraus, dass diese 6 Minuten und 19 Sekunden am Ende wirklich JEDEN abholt. So viele Emotionen, so viele feuchte Augen, so ein grandioses Feedback – ich gebe gern zu, dass ich das in diesem Ausmaß nicht erwartet habe und Katharina auch nicht. Und es macht uns unheimlich froh und stolz und wir sind auch klein wenig erleichtert; denn es gab während der Arbeiten an „come undone“ schon den ein oder anderen Moment, an dem wir unsicher waren, ob die breite Mehrheit wirklich versteht, was wir da machen. Was dieser Bildband (uns) bedeutet. Das ist jetzt alles wie weggeblasen und wir sind einfach nur happy. Und ein klein wenig traurig; denn bald ist es vorbei (vermeintlich) und längst nicht alle Buchkäufer haben die Chance genutzt (nutzen können), sich die Geschichte und die Geschichten von „come undone“ anzuhören und die dazugehörigen Bilder (viele outtakes) anzuschauen.
Am kommenden Freitag ist die Abschlussparty im Veedel Club in Köln und dort wird es noch mal ganz besonders emotional – so viel kann ich bereits versprechen (ich sag nur: wer nicht kommt, ist selbst schuld). Und das besonders Schöne: das war es ja noch nicht! Im November gehen wir noch mal auf Mini-Norddeutschland-Tour mit Stationen in Bremen, Hamburg und Kiel und wenn alles klappt, gibt es am ersten Advent den krönenden Abschluss mit einer Matinee in einem Kino! Mehr Infos dann demnächst hier …
Auf den bisherigen 12 Stationen sind ca. 500 Menschen dabei gewesen – viele bekannte Gesichter, aber auch viele liebe Mitmenschen, mit denen ich bereits in den sozialen Medien zu tun hatte, die ich aber bisher nie persönlich kennengelernt habe. In Freiburg gab es vorher Gin-Tonic für Alle, in Frankfurt (im NOIRstudio) waren fast 70 Gäste da und Rohdental (bei Hannover) waren Mama, Papa und Töchterchen dabei – ein Highlight reiht sich an das andere und ich bin guter Hoffnung, dass es auch nächste Woche noch ein paar davon gibt.
Es ist für Katharina und mich jedes Mal ein besonderes Highlight, NACH der eigentlichen Veranstaltung mit den Menschen zu plaudern, was sie da gerade gesehen und gehört haben – uns ihr Feedback abzuholen und ihre Fragen zu beantworten. An dieser Stelle will ich auch noch mal betonen, dass Katharina und ich diese Tour NICHT machen, um unseren Bildband wie Sauerbier unter’s Volk zu bringen – deshalb macht uns jeder auch nur ansatzweise Versuch, das Ganze in die Nähe einer „Butterfahrt“ zu bringen sehr traurig. Natürlich freuen wir uns über jeden Einzelnen, der einen Bildband auf der Veranstaltung kauft (und offen gestanden sprengen die bisherigen Verkäufe bei weitem meine Erwartungen), aber der wichtigste Grund, warum wir das machen, ist, dass wir (uns) gern erklären möchten: wie es zu unserer Zusammenarbeit kam, welche Motivation wir beide hatten, welche Intention und was der Bildband mit uns gemacht hat. Insbesondere Katharina kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Wer zu Beginn der Tour möglicherweise noch gedacht hat, dass Katharina da vorn vor allem aus ästhetischen Gründen neben mir sitzt, sah sich schnell getäuscht (nicht, dass das mit der Ästhetik nicht stimmt, aber Ihr wisst schon, was ich meine …). Das, was sie zu sagen hat, rührt viele Menschen zu Tränen und ich nehme mich da ausdrücklich nicht von aus. Alles in allem kann ich nur feststellen, dass die „come undone“ – Tour meine beste Idee seit Langem war und ich wahnsinnig froh bin, so viele Gastgeber in ganz Deutschland gefunden zu haben, die mich dabei unterstützen. DANKE!
Eine Frage, die in den letzten Wochen relativ häufig gestellt wurde, war „und was kommt als Nächstes, Andreas“? Und ich muss zugeben, dass mich genau DIESE Frage seit mindestens einem halben Jahr umtreibt. Ich hatte zwischendurch sogar mal den Moment, als ich dachte, dass ich sie mir beantworten könnte und habe bereits entsprechende Pläne geschmiedet. Nur um später festzustellen, dass ich eigentlich gar nicht weiss, wie es weitergehen soll …
Hier stehe ich nun. Die Grundidee mit der Monographie hat endlich so RICHTIG gezündet – mein gesamtes Umfeld ist mittlerweile davon überzeugt, dass meine damalige Idee doch gar nicht so doof war; das es doch genau das Richtige für meine Art der Fotografie ist. Erste Magazine berichten (und werden noch davon berichten), wie cool sie das Konzept der Monographie finden. In der Fotografie-Szene wird das Thema aufgegriffen und ich bin davon überzeugt, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft die ein oder andere Monographie von anderen Fotografen sehen werden – und ich freue mich darauf. Nur … was mache ICH mit dieser Erkenntnis? Diese Frage umtreibt mich seit Wochen – sie nagt an mir und es gab nicht wenige Tage in den letzten Wochen, in denen ich ziemlich unleidlich reagiert habe, wenn ich darauf angesprochen wurde. Aber der Nebel verflüchtigt sich, die Ungewissheit hört auf an mir zu zerren und ich bekomme wieder so richtig Lust, neu zu starten. Womit? Das werde ich nach der Tour bekannt geben …
Es wird aber auch dringend Zeit. Kamera und Objektive setzen schon langsam Spinnweben an und die Akkus sind wahrscheinlich alle schon tiefentladen. Vielleicht sollte ich noch mal fix irgendwo einen Workshop belegen … oder ist das wie mit dem Fahrradfahren? Ich werde es ja erleben – in jedem Fall habe ich wieder BOCK. Die beste aller Antriebsfedern …
Geholfen hat dabei im Übrigen auch eine Erfahrung aus den letzten Wochen: ich hatte die Tour kurz unterbrochen, um als Referent bei einer Veranstaltung namens „Meet’n’Speak intense“ in Augsburg über „Authentische Porträts“ zu erzählen. Ein Workshop der besonderen Art: keiner, auf denen die Teilnehmer selbst fotografieren, sondern wo sie dem Fotografen da vorn einfach nur zuhören und aufsaugen, was der so erzählen hat. Es war der Wunsch des Veranstalters, das ich meine Ausführungen durch ein Live-Shooting abrunde und wer mich kennt, weiss, wie ich zu derlei Ansinnen stehe … zu gekünstelt und zu unauthentisch ist das oft. Und am Ende des Tages sind die Teilnehmer wahrscheinlich ganz ernüchtert wenn sie sehen, wie schlicht und simpel das Ganze bei mir meist abläuft. Schliesslich habe ich aber doch nachgegeben und mich auf das Thema eingelassen. Nach dem Motto „ganz oder gar nicht“ sollte es dann aber doch so real wie möglich sein, daher habe ich das (bis dahin mir völlig unbekannte) Model instruiert, dass wir einfach so tun, als wären wir ganz allein. Ich habe die Teilnehmer zu Stillschweigen verdonnert und dann habe ich mich mit Laura (so hieß das Model) einfach erst mal … unterhalten. Das hatte für einen Moment etwas Surreales, wenn man überlegt, dass die Teilnehmer am Ende des Tages Geld dafür bezahlt haben, um Zuzusehen, wie sich der Fotograf mit dem Model unterhält … WOW! Spektakulärer geht’s kaum …^^
Aber wie ich schon sagte: ganz oder gar nicht! Ich habe den Teilnehmern am Ende des Tages dann doch das volle Programm erspart; denn normalerweise dauert so ein Gequatsche locker mindestens 1-2 Stunden, aber für meine Zwecke hat das mit einer Viertelstunde ausgereicht. An dem Tisch, an dem ich mich mit Laura unterhielt, haben wir dann auch die Fotos gemacht. Kurz vorher habe ich Laura gesagt, dass ich keine Anweisung gebe und sie einfach nur zur Musik mitgehen soll, die aus dem mitgebrachten Bluetooth-Lautsprecher läuft und dass sie einfach nur „bei sich“ sein soll. Die Teilnehmer ignorieren und möglichst vergessen, dass ich da bin. Zehn Minuten später waren die Bilder im Kasten und die Teilnehmer waren verblüfft, als ich sagte, dass ich in meinem Atelier jetzt auch aufhören würde. Keine stundenlangen Shootings, keine minutiösen Anweisungen. „Emotionen nicht verordnen, sondern zulassen“, lautet mein Credo und dabei hilft mir Musik ungemein, wie man sich wahrscheinlich denken kann.
Diese Vorgehensweise ist für mich schon lange nichts besonderes mehr, aber ich habe gemerkt, dass es dein ein oder anderen gab, der einen richtigen Aha-Moment hatte als er das sah! Und das hat mir gezeigt, dass so ein Live-Shooting vielleicht doch nicht so doof ist wie ich immer dachte. Es geht manchmal gar nicht so sehr darum zu zeigen, wie spektakulär man als Fotograf arbeitet – manchmal profitieren Teilnehmer genau vom Gegenteil. Und es macht offensichtlich dann doch einen grossen Unterschied, ob man einfach nur ERZÄHLT, worauf man Wert legt und wie man arbeitet oder ob man das Ganze auch noch ZEIGT. Was mich an dem Wochenende allerdings am meisten verblüfft – vielleicht sogar verstört – hat, war die Aussage von Laura (mit immerhin 5 Jahren Erfahrung als Model), dass sie es eigentlich nicht gewohnt ist, dass sich die Fotografen vor einem Shooting die Zeit nehmen, eine Unterhaltung mit ihr zu führen. Wenn dem tatsächlich so ist, wundert mich wirklich fast gar nichts mehr …
Ich schliesse heute mit dem Zitat eines schlauen Menschen, das mir sehr gefällt:
„GLÜCK IST, WENN MAN’S MERKT!“
In diesem Sinne: haltet die Ohren steif und bleibt mir gewogen (und besucht Katharina und mich nächste Woche auf der Tour in Emden, Nordhorn, Dortmund oder Köln) …
Cheers!
Andreas