aj’s trivia (#68)


Foto: Yasemin Roos
 
aj’s trivia*
(Folge 68)
 
*trivia: „wissenswerte Kleinigkeiten, „dies und das, manchmal auch Kurioses“ [Wikipedia]
 
Freitag. Wieder eine Woche vorbei. Wieder eine Woche lang nicht fotografiert. Wer hat eigentlich behauptet, dass man als Fotograf regelmäßig und viel fotografiert? Es gibt ja schließlich so viele andere spannende Themen, um die man sich als Selbständiger (in diesen Zeiten) kümmern darf: DSGVO (ich schwör: kein weiteres Wort in der heutigen trivia!), Buchhaltung, Künstlersozialkasse und Betriebsprüfung. Da geht einem so richtig das Herz auf. Nicht.
 
Aber ich will nicht jammern. Außerdem habe ich weiter oben ja auch gelogen: ich habe ja tatsächlich in dieser Woche fotografiert. Zwei mal. Beide Male für einen Videodreh – einmal FotoTV am Dienstag (Release irgendwann im Juli/August) und einmal für ein Video, bei dem Katharina und ich am gestrigen Feiertag mit Maximilian Mechler gedreht haben (mit ein bißchen Glück ist der Clip schon nächste Woche online). Jetzt ist das mit diesen Foto-Sessions für Videodrehs so eine Sache …
 
jetzt bau mal Dein Set auf und dann machst Du mit Deinem Model Aufnahmen und erklärst dabei, wie Du das machst und warum Du das das machst, so dass der Betrachter dem Geheimnis Deiner Bilder auf die Spur kommt …
 
… und ich so … „welches Set?“„was soll ich aufbauen?“ … und vor allem … „WELCHES GEHEIMNIS?“
 
Die Reaktion ist dann stets ein verlegenes Lachen, weil man denkt, dass ich entweder a) zu bescheiden bin, um zu zeigen, was ich für ein toller Hecht bin oder b) bewusst ein wenig kokettiere oder c) absichtlich nicht alles zeigen will, was ich kann und was ich so am „Set“ mache. Dieses verlegene Lachen wird nach der gewünschten Foto-Session dann stets von a) Ernüchterung oder b) Faszination oder c) einem Mix aus Beidem abgelöst.
 
„ähm … mehr machst Du nicht?“ … „so simpel?“ und „das war’s schon?“ … sind die typischen Reaktionen und ich weiss dann immer gar nicht, was ich sagen soll? Sollte ich mir für derlei Anlässe vielleicht doch noch ein bis zwei fancy Tricks und Effekte einfallen lassen? Ein bißchen Weihrauch abbrennen? Oder sollte ich einfach darauf hinweisen, dass Porträtfotografie im Prinzip sehr leicht ist?! Wenn man ein paar wenige Dinge beachtet, die dann vielleicht doch nicht so einfach (nie?) zu erlernen sind – nämlich Interesse am Menschen, Empathie, Psychologie und Menschenführung. Ich entscheide mich mittlerweile aus großer Überzeugung für Letzteres und mache den Filmemachern klar, dass es nichts bringt, die Dinge unnötig kompliziert zu machen und das Ganze zu verklären.
 
 

 
Kamera mit 50mm Objektiv (in diesem Fall über 60 Jahre alt), inspirierende Gespräche mit dem Menschen und Geduld – mehr brauche ich in der Regel nicht für meine Porträtaufnahmen. Runa ©2017
 
 
Und dennoch gibt es natürlich ein paar Dinge, die wichtig sind, um sich als Fotograf zu entwickeln – und damit meine ich jetzt nicht technische Dinge wie Licht (wichtig!) und Bildaufbau-/schnitt. Diese Dinge sind möglicherweise für die Entwicklung eines eigenen Stils wichtig, aber es gibt etwas, das wichtiger ist als all das: herauszufinden, was man als Fotograf wirklich will, was man wirklich gut findet und genau DAS dann konsequent und kompromisslos zu verfolgen und weiter zu entwickeln!
 
Auf Facebook las ich kürzlich den Beitrag eines Fotografen in einer Modelgruppe. Dieser Fotograf will bei einem Foto-Wettbewerb teilnehmen und kann sich offensichtlich nicht entscheiden, welche von seinen Bildern er zum Wettbewerb einreichen soll. Also lädt er eine grössere Auswahl an Bildern auf eine Online-Plattform hoch und bittet die Models und Fotografen aus dieser Modelgruppe, ihre Favoriten zu kommentieren. Die Bilder mit den meisten Kommentaren will dieser Fotograf dann zum Wettbewerb einreichen.
 
Das KANN man natürlich so machen, aber irgendwie ist das dann auch eine persönliche Bankrotterklärung, da es darauf hinausläuft, dass man nicht seine eigenen Favoriten zu diesem Wettbewerb einreicht, sondern die Favoriten DRITTER. Wenn jemand noch ein Beispiel dafür benötigt, wie sehr sich mittlerweile zahlreiche Fotografen und Models von anderen – insbesondere in den sozialen Medien – beeinflussen lassen: hier wäre eines. Meine Empfehlung: macht das nicht! Macht EUER Ding! Und scheisst drauf, was andere sagen! So richtig geil ist doch der Gewinn bei einem Wettbewerb nur dann, wenn aus 100%iger Überzeugung gemacht und eingereicht wurde – und nicht weil andere es gut finden, oder? Und ich verrate Euch noch eines: man darf sein eigenes Zeug auch geil finden, wenn es die breite Mehrheit anders sieht …!
 
 

 
Nicht selten gefallen mir die Bilder aus einer Foto-Session am Besten, die andere (Fotografen) möglicherweise als „outtakes“ deklarieren würden. Nur: was hindert mich daran, genau diese Aufnahmen als das „wahre“ Ergebnis zu präsentieren? Genau … KEINER! ;)
 
 
Musik-Tipp gibt’s diese Woche nur einen: einer meiner all-time-favourites von Peter Sarstedt, der letztes Jahr leider gestorben ist. Ein Song von 1969, der heute noch genau so schön ist wie vor fast 50 Jahren …
 

 
Nächste Woche fotografiere ich zum ersten Mal seit ca. 6 Wochen wieder außerhalb eines Projekts und ohne, dass mir ein Filmteam dabei über die Schulter schaut. Und dann noch jemanden, den ich seit Jahren nicht gesehen habe … bin gespannt, ob ich’s noch kann …^^
 
In diesem Sinne: haltet die Ohren steif und bleibt mir gewogen …
 
Cheers!
Andreas