aj’s trivia (#40)


Foto: Yasemin Roos

 

aj’s trivia*
(Folge 40)

*trivia: „wissenswerte Kleinigkeiten, „dies und das, manchmal auch Kurioses“ [Wikipedia]

 
 

Willkommen zu Folge #40 meiner kleinen Trivialitäten und da tut sich bereits die erste Frage auf – eine Frage, die noch von letzter Woche übrig geblieben ist. Warum zum Henker habe ich meine neue wöchentliche Glosse „aj’s trivia“ in der letzten Wochen ausgerechnet mit Folge #39 gestartet? Viele haben es gewusst und mir eine Mail geschrieben. Die richtige Antwort ist genau so simpel und schlicht wie meine Fotografie (sorry an alle, die da sehr viel mehr reingedeutet haben): es handelt sich um die jeweilige Kalenderwoche, in der die Folge erscheint! 39. KW letzte Woche, 40. KW diese Woche. Was ich dann in der ersten Januarwoche 2018 mache, ist die spannende Frage (die tatsächlich von einigen aufgeworfen wurde). Ich sag‘ mal so: ich habe ja noch ein paar Wochen Zeit, mir etwas angemessenes auszudenken. Nur eines kann ich versichern: mit #52 soll nicht Schluss sein – dafür macht’s mir bereits jetzt schon viel zu viel Spass. Und das liegt vorrangig an dem überwältigenden Feedback, das ich (zumeist per Mail) bekommen habe, wobei ich allen, denen mein Geschreibsel gefällt, nur ermutigen kann, einen Kommentar unter dem jeweiligen Beitrag zu hinterlassen! Vielleicht habt Ihr ja auch mal eine konkrete Frage zu einem Thema, das ich angeschnitten habe? Immer her damit!
 
Unter all den richtigen Einsendungen habe ich höchstselbst mit verbundenen Augen (die Glücksfee war gerade nicht greifbar) den Gewinner eines Exemplars von „aj“ #01 gezogen. And the winner is ….
 
DAGMAR KÜCHLER!
 
Herzlichen Glückwunsch! Du bekommst Dein signiertes Exemplar kurzfristig zugeschickt!
 
Wir haben Anfang Oktober und das Wetter fühlt sich eher nach Winter als nach Herbst an (der „goldene“ Oktober kommt derzeit eher aschgrau daher), aber die gute Nachricht ist: meine „9 nudes“ sind aus der Sommerpause zurück – ab sofort gibt’s wieder jeden Monat neun neue Aktbilder auf meiner Homepage zu sehen. Und zwar jeweils nur für 30 Tage. Dann gibt’s neun neue. Wer die „9 nudes“ der Monate vor der Sommerpause sehen will, muss hoffen, dass ich sie vielleicht irgendwann mal in geprinteter Version veröffentliche. Gedruckt ist eh viel schöner – aber ich glaub‘, das hatte ich schon mal erwähnt …
 
Erwähnt hatte ich beim letzten Mal auch, dass es passend zu jeder Ausgabe von „aj’s trivia“ auch einen Musik-Tipp der Woche geben wird. „Musik abseits des Mainstreams“ hatte ich letzte Woche geschrieben, wobei einem Leser der gute Van Morrison von letzter Woche noch viel zu mainstreamig war, weshalb ich dieses Mal bewusst ganz tief in die Kuriositätenkiste gegriffen habe: „Captain Kirk spricht zu Klavier-Musik von Ben Folds“ klingt lächerlich, ich weiss. Ist es aber nicht! Auch wenn die LP „Has Been“ von William Shattner und Ben Folds sicher zu den merkwürdigsten zählt, die ich in den letzten 20 Jahren gekauft habe – es finden sich dort ein paar absolute Perlen auf diesem Album. Und „It hasn’t happened yet“ gehört definitiv dazu. Viel Spass beim Anhören und -schauen!
 
 


 
 

Ich möchte in meiner Kolumne nicht nur davon schreiben, was ich in der abgelaufenen Woche erlebt habe, sondern auch, was ich hier und da aufgeschnappt habe – im Netz, bei Kollegen und anderswo – und worüber ich mir so meine Gedanken mache. Immer wieder werde ich zum Beispiel mit der Frage konfrontiert, ob ich nicht auch irgendwann mal an den Punkt komme (bzw. gekommen bin), an dem ich die Lust verloren habe – an dem, was ich fotografisch so treibe. Weil es sich ja doch „irgendwie immer wiederholt“. Zumal ich ja *VORWURFSMODUS ON „die meisten meiner Porträts ausschliesslich in den Räumen meines Ateliers mache, die ausser einem grossen Fenster und weissen Wänden nicht wirklich viel Spektakuläres aufzuweisen haben“ *VORWURFSMODUS OFF. Diese Fragestellung zeugt meines Erachtens von einem Missverständnis der Porträt-Fotografie, weshalb ich heute etwas dazu schreiben will.
 
Zunächst einmal bleibt festzustellen, dass auch ich meine Ups und Downs habe – das ist nach meiner Einschätzung völlig normal und nichts, wovor man sich fürchten oder wofür man sich schämen müsste. Aber ich bin da mittlerweile auch relativ konsequent: wenn ich mich mal etwas „leer“ fühle, mache ich einfach keine Foto-Shootings! Klingt simpel und das ist es auch! Und Hobby-Fotografen haben es da doch noch so viel leichter als Berufsfotografen! Einfach mal die Kamera für ein paar Wochen an die Seite legen, kann unglaublich hilfreich sein. Es hilft nicht immer, die Kreativität zu pushen, aber es hilft definitiv, wieder HUNGER auf Fotografie zu bekommen! Und Leidenschaft ist einer der wichtigsten Bausteine in der Fotografie – da bin ich fest von überzeugt.
 
Warum aber werde ich nicht (oder nur selten) müde, das ein um’s andere Porträt von Menschen in meinem Atelier zu machen? Und dann auch immer nur in schwarzweiss? Vor einer weissen Wand? Warum wird mir das eigentlich nicht langweilig? Die Antwort liegt auf der Hand und wird von vielen People-Fotografen dennoch verkannt: es handelt sich doch in aller Regel immer um andere Menschen! Ich habe kürzlich in einem Kommentar auf Facebook geschrieben „8 Milliarden Menschen. Und ich habe erst einen Bruchteil davon fotografiert“. Wie könnte ich da schon satt sein? WIESO gibt es überhaupt Porträt-Fotografen, die in vergleichbarer Situation bereits keine Lust mehr haben – denen langweilig ist? Die das Gefühl haben, immer das Gleiche zu machen?
 
Meine These klingt hart, aber ich davon überzeugt, dass es auf sehr viele Fotografen zutrifft: es liegt daran, dass ihnen der individuelle Mensch vor der Kamera eigentlich nicht wirklich wichtig ist. Dass sie nicht wirklich an den Menschen interessiert sind, die sie fotografieren. Und weil das so ist, versucht man die Defizite an (echten) Emotionen und Ausdruck zu kaschieren – und das passiert meist durch mehr und minder gelungene Inszenierungen und/oder Bearbeitungen der Bilder. Bilder, die mehr durch die Verpackung als den Inhalt wirken – quasi das Apple-Konzept auf die Fotografie übertragen. Nichts dagegen einzuwenden – wir leben in einer schnelllebigen Zeit und die gut verpackten Fotos funktionieren in der Regel im instagram-feed besser als die schlichten. Das Problem: Verpackung lässt sich kopieren – meist sogar sehr leicht. Wenn die „Verpackung“ aus Filterlooks besteht, erst recht. Zumal es ja die fertigen Presets mittlerweile von vielen Fotografen zu kaufen gibt. Und natürlich ist auch das völlig okay, so lange es jedem einzelnen Spass macht. Was damit aber nur selten gelingt, ist Individualität. Viele Fotografen suchen ihren persönlichen Bildstil und verwechseln diesen dabei nur allzu oft mit einem BildLOOK. Ein Preset macht keinen Stil – es kreiiert einen Look. Einen Look, der kopierbar ist. Gestern war Cyan-Look hip, heute orange und morgen wahrscheinlich [„hier bitte eine Farbe Ihrer Wahl einsetzen“]. Die Frage muss erlaubt sein, warum man überhaupt sklavisch einem Bildstil hinterherlaufen sollte – ich persönlich bin der Meinung, dass sich dieser sowieso über die Jahre automatisch entwickelt. Oder eben auch nicht! Peter Lindbergh sagt von sich selbst, keinen Bildstil zu haben. Für ’ne Weltkarriere hat’s trotzdem gereicht …
 
Ich bin schon wieder ein wenig mit meinen Gedanken abgeschweift (habe jetzt übrigens tatsächlich mal eben gegooglet, ob es nicht doch „abgeschwiffen“ heisst … – tut es nicht!). Worauf ich ja eingangs hinaus wollte, war die Tatsache, dass die Porträtfotografie ihre eigentliche Spannung aus den MENSCHEN bezieht – wer hätte es gedacht? Ganz ehrlich: die Tatsache, dass ich mich nicht der (wahrscheinlich viel lukrativeren) Produktfotografie widme, liegt an der fehlenden Komponente „MENSCH“. Erst dadurch wird die Fotografie für mich nachhaltig interessant. Ein schlauer Mensch hat mal gesagt „fotografiere nur das, was Dich interessiert!“ und alles wäre viel schöner, wenn sich ein jeder daran hielte. Das Interesse am Menschen (vor der Kamera), die Leidenschaft des Fotografen, das Einfühlungsvermögen und nicht zuletzt die Empathie – all das sollte sich im optimalen Falle im fertigen Porträt zeigen. Wenn wir blutleere (emotionslose) Bilder sehen, hat es oft damit zu tun, dass dem Fotografen einfach das (ehrliche!) Interesse an dem Menschen vor der Kamera fehlte. Und es ist aus meiner Sicht völlig klar, dass ein solcher Fotograf irgendwann an den Punkt kommt, wo er all das langweilig findet. Er kann eben keine Befriedigung aus den interessanten Geschichten der individuellen Persönlichkeiten ziehen. Und genau das wird wahrscheinlich auf Dauer frustrieren. Denn eigentlich ist die Porträtfotografie ja super spannend. Was mich zu meinem „Bild der Woche“ führt (eigentlich BildER).
 
 


 
 

Katja war diese Woche in meinem Atelier. Ich hatte auf Facebook „neue Gesichter“ gesucht und sie hatte sich beworben. Obwohl sie kein Model ist. Was völlig okay war für mich – schliesslich hatte ich geschrieben „keine Erfahrung erforderlich“. Ich fotografiere zunehmend Nicht-Models; denn aus der Fashion-Fotografie habe ich mich längst verabschiedet (wer mich kennt, weiss: das passt hinten und vorne nicht zusammen) und Beauty-Fotografie ist auch nicht meins (ich HASSE es, stundenlang auf das Model zu warten, die ewig und drei Tage in der Maske sitzt, nur um anschliessend komplett anders auszusehen, als in dem Moment als sie zur Tür rein kam). Ich mache Porträtfotografie. Mit und ohne Klamotten (andere nennen letzteres dann „sensual nude“). Dafür braucht man streng genommen keine erfahrene Models. Manchmal kann das sogar hinderlich sein (Stichwort „natürliche Porträts“).
 
Katja war zwei Stunden bei mir und davon haben wir 20 Minuten fotografiert. Business as usual sozusagen – ungefähr so läuft’s fast immer bei mir (mal abgesehen davon, dass das gemeinsame Kaffee trinken auch schon mal deutlich länger dauern kann). Katja ist 27 Jahre alt, angehende Lehrerin (sie studiert kath. Theologie und Geographie auf Lehramt und steht kurz vor dem Master) und arbeitet als Betreuerin in einer Jugendbildungsstätte (was auch der Grund dafür ist, dass sie mit dem Studium noch nicht weiter ist). Dort ist sie derzeit zuständig für 10 männliche syrische Flüchtlinge im Alter zwischen 15 und 18 Jahren. Diese haben ihr den liebevollen Spitznamen „Frau Polizei“ verpasst. Mich dünkt, die liebe Katja kann auch ganz schön streng sein …
 
 


 
 

Ich habe jedes Mal sehr viel Spass, mir die Geschichten der Menschen anzuhören, die ich fotografiere. Manchmal runden sie das Bild ab, das ich vielleicht schon gehabt habe, manchmal erschliesst sich mir da eine ganz neue Facette – und ich bin mir dabei natürlich völlig im Klaren, dass ich bei einer ersten Begegnung noch völlig an der Oberfläche bleibe. Aber immerhin: gerade diese verschiedenen Facetten machen einen Menschen doch erst interessant. Wer will denn nur das „Model-Gesicht“ sehen? Ich jedenfalls nicht. Letzteres ist wahrscheinlich der Hauptgrund, warum ich Peter Lindbergh mag. Und Kate Moss. Und vor allem die Kombination aus beiden Personen: das Plakat seiner diesjährigen Ausstellung mit der 40jährigen Kate hängt jetzt in meinem Atelier. Wenn ich in die Augen von Kate schaue, vergesse ich die Zeit … ein grandioses Porträt!
 
Übrigens hat die beste Ehefrau von allen überhaupt kein Problem damit, wie ich über Kate schreibe – sie weiss genau, wie es gemeint ist. Und das führt mich zu der Auflösung der Frage, die sich möglicherweise schon mal der ein oder andere von Euch gestellt hat: „wieso zum Henker nennt er seine Frau immer „beste Ehefrau von allen“?“. Darauf gibt es genau zwei Antworten:
 
1. Weil es so ist! (BASTA!)
2. Ich habe mir diese Redewendung nicht selbst ausgedacht, sondern von dem israelischen Schriftsteller und Satiriker Ephraim Kishon entliehen (weil sowohl er als auch seine Frau bereits lange verstorben sind, wird er mir dieses Plagiat nachsehen, hoffe ich). Wer die Geschichten von Kishon nicht kennt, hat etwas verpasst. Wer den intelligenten Humor von Loriot mochte, wird Kishon lieben! Tut Euch einen Gefallen und kauft Euch bei nächster Gelegenheit ein Buch von ihm – dann wird Euch „die beste Ehefrau von allen“ immer mal wieder begegnen … ;)
 

Was war noch? Am Sonntag wurde das Video im Foto Quiz Taxi veröffentlicht, das Anfang September in Hamburg entstanden ist und wie ich mich da zum Horst mache, solltet Ihr Euch vielleicht doch mal anschauen. Hinweis in eigener Sache: eigentlich bin ich mittlerweile viel schlanker (immerhin habe ich Stand jetzt bereits 12kg abgenommen), aber MiGel, der blöde Hund, hat natürlich ein Ultraweitwinkel für die Aufnahmen verwendet. Irgendwann zahle ich ihm das heim …
 
 


 
 

Ach so … einen habe ich noch: ich wurde kürzlich von einem alten Bekannten kontaktiert, der mich fragte, ob ich die neue Nikon D850 besitze und als ich das bejahte, antwortete er mir „oh super, dann kann ich Dir ja direkt ein paar Fragen stellen, die mir unter den Nägeln brennen“ … ich ahnte Böses, liess es aber zu und dann listete er auf:
 
„Wie klappt die Übertragung der Bilder auf das iphone bzw. ipad? Ist das ’ne Fummelei? Und wie schnell geht das? Wie funktioniert die Steuerung über das iphone? Und das allerwichtigste: buffert die D850 endlich im Liveview? Oder schreibt sie nach wie vor direkt auf die SD-Karte?“
 
Als ich das las, habe ich geguckt wie ein Auto. Ein ziemlich altes Auto, das kann ich Euch versichern. Ich schrieb ihm nur, dass ich keine Ahnung habe, was er von mir will und dass ich mit dem Ding bisher einfach nur fotografiert habe (was ganz gut funktioniert hat). Und mir fiel auf einmal wieder ein, warum ich einfach nicht zum Produkttester tauge …
 
Nächste Woche geht’s dann weiter. Mit Folge #41.
 
Bleibt mir gewogen! Bis die Tage!
 
 

Cheers!
Andreas