aj’s trivia (#39)


Foto: Yasemin Roos

 

aj’s trivia*
(Folge 39)

*trivia: „wissenswerte Kleinigkeiten, „dies und das, manchmal auch Kurioses“ [Wikipedia]

 

Ich sass vor wenigen Stunden mit diesem einen Kerl da zusammen in meinem Atelier – Robin ist sein Name und von ihm wird noch zu reden sein – und wie das so ist, wenn man bierselig zusammen sitzt: man kommt von Höcksken auf Stöcksken und auf einmal höre ich ihn sagen „mach doch mal eine wöchentliche Kolumne, in der Du über Fotografie im Allgemeinen und Deine Woche als Berufsfotograf im Speziellen schreibst“. Nicht nur die Erfolgsstories, sondern auch mal aus der Abteilung „Pleiten, Pech und Pannen“. Ich hörte mich dann noch fragen „wer will das denn lesen?“, was er mit einem „na, ICH!“ relativ überzeugend vom Tisch wischte.

Und jetzt sitze ich hier nach der Champions League – Niederlage des FC Bayern gegen Paris am Rechner, müsste eigentlich schlechte Laune haben (habe ich merkwürdigerweise nicht) und lasse das ganze noch mal Revue passieren und ich muss sagen: irgendwie gefällt mir der Gedanke. Mal keine klassischen Blog-Artikel im Erklärbär-Format, sondern einfach frei von der Leber geschrieben und trotzdem interessant für die Liebhaber der Fotografie. Und mit ein bisschen Glück sogar unterhaltsam. „Schaun mer mal, dann sehn mer scho“ würde der Franz jetzt sagen.

 

 

Ich habe also beschlossen, künftig jeden Freitag meine Gedanken der jeweiligen Woche zu veröffentlichen – ohne Anspruch auf den Pullitzer-Preis, aber dafür lege ich offen, wie unglaublich spektakulär so manche Arbeitswoche bei einem Berufsfotografen wie mir verläuft. Und wie unfassbar trivial und langweilig. Wenn Ihr bisher dachtet, dass ich wahrscheinlich ständig zwischen New York, Rio und Kapstadt hin- und her jette, ein Interview nach dem anderen gebe und sich die Stars und Sternchen bei mir im Atelier die Klinke in die Hand geben, dann muss ich Euch sagen: GENAU SO ist das auch!

 

[an dieser Stelle wird es Zeit für den ersten DISCLAIMER: ich bitte zu beachten, dass meine Schreibe hin und wieder mit Spuren von Ironie und Sarkasmus durchsetzt ist. Also bitte nicht immer alles auf die Goldwaage legen!]

 

Die ganz Aufgeweckten werden jetzt anmerken, dass heute ja gar nicht Freitag ist (worauf ich erwidern könnte, dass das eine ziemlich relative Aussage ist, da dies ja davon abhängt, wann genau man diese Zeilen liest – tue ich aber nicht) und das ist richtig! Champions League ist Dienstag und Mittwoch und ein Blick in den Spielplan verrät, dass der PSG die Bayern am Mittwoch, den 27. September 2017 empfangen hat. Geschrieben habe ich all das also am Mittwoch (streng genommen am frühen Morgen des Donnerstag) und das liegt schlicht daran, dass ich neue Ideen unbedingt SOFORT umsetzen muss! Eine schlechte Angewohnheit von mir, aber wenn ich etwas Neues in der Pipeline habe, MUSS es raus! Die künftigen Folgen kann ich ja dann immer noch Freitags veröffentlichen. Wo ich gerade bei dem Thema Ungeduld bin, fällt mir mein Kollege Patrick Ludolph ein, der gerade seinen neuen Bildband „SEAFARERS“ veröffentlicht hat (übrigens sehr empfehlenswert). Er erzählte mir bereits vor ein paar Monaten das erste Mal davon und dass er eigentlich fertig sei und (wegen der besonderen Konstellation bei diesem Buch – könnt Ihr alles bei ihm nachlesen) mehrere Monate auf die Freigabe von Hapag Lloyd warten musste bis er es drucken lassen konnte. Er erzählte mir, dass ihn das schier verrückt machen würde – aber er tat das mit einem gefühlten Ruhepuls von 30 und ich hatte ihn schon damals für seine (äussere) Gelassenheit bewundert. Ich glaube, ich wäre schier bekloppt geworden. Aber ich schweife ab …

Dem ein oder anderen wird aufgefallen sein, dass ich meine neue Reihe „aj’s trivia“ mit Folge 39 starte und unter allen Lesern, die mir eine Mail mit der richtigen Antwort an info@ajorns.com schreiben, warum ich das wohl tue, verlose ich eine Ausgabe von „aj“ #01 (es muss ja lohnen, bis hier hin gelesen zu haben).

 


 

Während ich all das hier schreibe, höre ich übrigens Musik von Van Morrison, nach all den Jahren wahrscheinlich mein Lieblingssänger. Zumindest weist keine andere Interpreten-Playlist in itunes so viele Songs auf wie meine „Van Morrison“-Playlist. Kein Wunder: fast 50 Jahre ist der Mann als Solo-Künstler unterwegs und in dieser Zeit hat er fast 40 Alben herausgebracht – und zwar überwiegend gute bis herausragende Alben (denkt mal drüber nach, Ihr Beyoncés und Justins!). Warum ich das erzähle? Weil ich jede Woche einen „Anspieltipp“ präsentiere – Mucke abseits des Mainstreams. Sorry, ohne Musik geht’s bei mir einfach nicht! Diese Woche also Van Morrison mit einem grossartigen Song von seinem ersten Soloalbum aus dem Jahr 1968! Einfach mal abspielen und dazu ein Gläschen Rotwein oder Single Malt trinken. Ein guter Kaffee oder eine Tasse schwarzer Tee (Ostfriesenmischung, bitte!) tut’s aber auch …

 

Was es auch jede Woche geben wird: das Bild der Woche. Dieses Mal (zum Start): Robin – Ihr erinnert Euch? Mit ihm find dieses Text-Monster vor eine halben Stunde mal an (ich verspreche: ab nächster Woche werden die Texte kürzer und verdaulicher … ganz bestimmt … ich denke, doch … vielleicht).

 

 

Robin habe ich vor ca. einem Jahr kennengelernt. Da schrieb er mir zum ersten Mal. So wie es viele Menschen tun – vielleicht nur nicht so ausführlich. Und Robin setze noch einen drauf. Er schrieb mir erneut. Einen Brief! Handschriftlich! Er schilderte mir seinen Frust und bezog sich dabei auf meinen Artikel vom letzten Jahr, in dem ich über die „Foto-Szene und andere Motivationskiller“ geschrieben hatte. Ein Artikel, der wirklich sehr weite Kreise gezogen hatte. Und der auf viele Menschen eine grosse Wirkung hatte, wie ich heute weiss. Und einer von ihnen war Robin. Und da ich unfassbar gerührt von der Tatsache war, dass sich heute noch ein erwachsener Mensch hinsetzt und seine Gedanken handschriftlich zu Papier bringt, eine Briefmarke investiert, um viele Tage später (möglicherweise nie) eine Antwort zu bekommen, lud ich Robin zu einem Gespräch in mein Atelier nach Haan ein. In diesem Gespräch gab ich Robin ein paar Tipps – u.a. den Tipp, die sozialen Medien einfach mal für ein halbes Jahr links liegen zu lassen und fotografisch sein Ding zu machen. Unbeeinflusst von den Likes und Nicht-Likes auf Facebook und Co. Womit ich nicht rechnete: Robin ging nach Hause und tat genau das, wozu ich ihm geraten hatte. Und er schrieb mir einen weiteren Brief (denen noch ein paar weitere folgten). Und siehe da: die Online-Pause tat ihm gut. Tat seiner Kreativität gut! Er macht heute die Art von Porträts, die aufgrund der fehlenden Massenkompatibilität berühren. Die besonders sind! Und das allerwichtigste: er ist super happy damit! Er strahlt! Kein Vergleich zu dem Robin, der im Januar auf meiner Couch sass! Robin ist sogar so weit gegangen, dass er für sich selbst (und ein paar Freunde und Verwandte) ein eigenes Magazin hat drucken lassen. Ein Magazin nur mit seinen Bildern und seinen Texten! Ich kann mich nur wiederholen: genau DA fängt für mich die Fotografie an! Bei GEDRUCKTEN Bildern. Bilder gehören gedruckt. BASTA! Wer einmal seine „Babys“ in dieser Form in der Hand gehalten hat, bekommt einen völlig anderen Bezug zur Fotografie. Zu dem, was er da tut. NICHTS kann das ersetzen. Auch keine Millionen Likes auf Facebook, instagram und Co.

Robin hat mir sein Magazin (mit dem witzigen Namen „UN1“) zur Releaseparty meiner „aj“ Sonderausgabe „SASKIA“ mitgebracht – zusammen mit einem kleinen Büchlein, in das ich erst zu Hause reinschauen sollte, wie er sagte. „Ganz in Ruhe – am Besten bei einem Glas Rotwein“. Und das tat ich dann ca. eine Woche später, als der erste grosse Trubel um die Veröffentlichung von „SASKIA“ abgeebbt war. Und ich muss sagen, dass ich mit meinen 51 Jahren noch gar nicht sooo oft sprachlos war, aber als ich dieses Büchlein aufklappte, war ich es. Definitiv!

 

 

Es war ein Tagebuch. Adressiert an mich! 47 Seiten im A5 Format. Handgeschrieben! Illustriert mit jeder Menge Fotos, Screenshots und Grafiken. Jeder Eintrag beginnt mit „Lieber Andreas“. Jetzt, wo ich darüber schreibe, bekomme ich erneut Gänsehaut. In diesem Tagebuch erzählt mir Robin von seinem bisherigen (nicht immer sehr gradlinigen) Leben mit jeder Menge Stolpersteinen. Seine fotografische Entwicklung. Seine Krisen. Unsere Gespräche und die daraus resultierenden Ergebnisse. Abgesehen von der Hingabe und Leidenschaft, solche Texte zu verfassen, zeigen mir diese inhaltlich, dass Robin wirklich verstanden hat, worum es in der (Porträt)-Fotografie geht. Etwas, was ich in den Beiträgen der nächsten Wochen immer wieder anreissen werde, weil es die Essenz dessen ist, was ich tue. Woran ich glaube. Porträt-Fotografie ist an sich simpel. Das Geheimnis liegt oft in der Einfachheit. In der Ruhe und Gelassenheit. Im Interesse an dem Gegenüber. Und vor allem. in der EMPATHIE!

Und wenn ich demnächst mal wieder die Einlassung höre „ja, aber die und der hat so viele likes und ich nicht – woran liegt das?“ erwidere ich auf ein Neues, dass Likes kein Gradmesser für Qualität ist und dass allein relevant ist, dass man selbst als Fotograf glücklich mit dem Erreichten ist. Und wenn mich mein Gegenüber dann zweifelnd anschaut, werde ich ihm das Gleiche sagen, was ich Robin im Januar dieses Jahres gesagt habe:

 

Modern Talking haben mehr Platten verkauft als Van Morrison.
Hältst Du sie deshalb für die besseren Musiker?

 

Nächste Woche erzähle ich Euch vielleicht, worüber ich mich regelmässig wundere/ärgere/aufrege (je nach Tagesform), wenn ich durch den Newsfeed von Facebook scrolle. Und all die kleinen Dinge, die ich sonst noch so erlebt habe.

 

Bleibt mir gewogen! Bis die Tage!

 

Cheers!
Andreas

 

 

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