Foto: Yasemin Roos
aj’s trivia*
(Folge 102)
*trivia: „wissenswerte Kleinigkeiten, „dies und das, manchmal auch Kurioses“ [Wikipedia]
Es war Freitag letzter Woche als ich in Kroatien ein letztes Mal am Pool lag und mir die Sonne auf den Bauch brennen ließ: meine StepsApp teilte mir mein Wochenergebnis mit. Gegangene Schritte, zurückgelegte Kilometer und verbrauchte Kalorien. Hübsch übersichtlich mit einem Vergleich zur Vorwoche – und alle Pfeile waren rot und zeigten nach unten. Ich hatte es tatsächlich geschafft, mich in einer kompletten Woche (der Woche in Kroatien) weniger zu bewegen als an einem Nachmittag in New York! Was ziemlich viel über mich aussagt. Und noch mehr über die beiden Reisen, die hinter mir lagen …
Er war „Schuld“. Mein „amerikanischer“ Freund Josh …
Mitte September ging’s für 10 Tage nach New York. Mit meinen Buddies Josh und Timo. Es war bereits das vierte Mal New York für mich und doch war irgendwie alles anders. Und damit meine ich wirklich ALLES! Das erste Mal verschlug es mich nicht nach Manhattan, sondern nach Brooklyn und ich hatte das Gefühl, das erste Mal überhaupt das „richtige“ New York erlebt zu haben. Das New York der Amerikaner. Und nicht das New York der Touristen. Und „Schuld“ daran war natürlich mein Freund Josh, halber Amerikaner und aufgewachsen in Hoboken. Er hatte das harte Los des Fremdenführers für Timo und mich, aber ich denke, es war nicht so schlimm, wie er es möglicherweise befürchtet hatte. Denn Timo und ich liessen uns komplett auf ihn ein und gängelten ihn nicht mit „ich will zum Time Square und anschließend zu Starbucks“ … nichts an unserem Verhalten wies darauf hin, dass es sich bei Timo und mir um Touristen handelt. Wenn man davon absieht, dass wir die ganze Zeit mit Kameras im Anschlag herumliefen …^^
Schaut Euch den nachfolgenden Clip an – dann wisst Ihr, was Josh uns bereits im Vorfeld immer wieder eintrichterte. Und natürlich hatte er Recht. Wenn Ihr also vorhabt, nach New York zu reisen, hört auf das, was Johnny T. sagt! „If you want New York: come to Brooklyn!“
Und so haben wir es gemacht. Bis auf wenige Ausnahmen haben wir Brooklyn nicht verlassen. Was nicht bedeutet, dass wir nicht rumgekommen sind – unsere durchgelatschten Sohlen beweisen das Gegenteil. Und das war bei Temperaturen von regelmässig bis 30°C nicht immer vergnügungssteuerpflichtig. Irgendwie hatte ich angenommen, viel mehr mit der Subway unterwegs zu sein – typischer Fall von DENKSTE!
Wenn Ihr Euch jetzt fragt, was wir im Vorfeld geplant und was genau wir davon umgesetzt haben, stellt Ihr definitiv die falsche Frage! In einer Stadt wie New York nimmt man sich nichts vor (wenn man alle Sinne beisammen hat)! Man lässt sich treiben. Und schaut, wo man landet. Wir hatten den ein oder anderen Fixpunkt und in der Regel waren das die Orte, an denen wir gegessen haben. Und … hell yeah … essen kann man gut in New York.
Zu allererst war dies natürlich Massimilano und sein LELLA ALIMENTARI in Williamsburg, Brooklyn. Massimilano ist waschechter Italiener (aus Rimini) und sein Bistro liegt in einem italienischen Viertel in Williamsburg – dem wahrscheinlich schönsten Teil Brooklyns, in dem wir auch wohnten. Amerikaner mag er nicht so gern – denen serviert er den (hervorragenden) Espresso im Pappbecher. Als Timo und ich den ersten Morgen reinkamen, identifizierte er uns sofort als Norweger, worauf ich klarstellte, dass Timo Isländer und ich Deutscher sei. Und dass ich vor 40 Jahren mit meinen Eltern in Rimini Urlaub gemacht habe. Den Espresso bekamen wir in Porzellantassen serviert und er brachte ihn uns persönlich an den Tisch. Von da an waren wir fast jeden Tag zum ausgedehnten Frühstück bei LELLA. Zu Stosszeiten eine Atmosphäre wie auf dem Hauptbahnhof von Rom. Ein Gewusel, laute Gespräche – dazu ebenso laute Musik, die sich jeden Tag abwechselte und von einem großartigen Musikgeschmack zeugte. Heute Celentano, morgen New Order, übermorgen Blondie. Gebrüllte Bestellungen und lange Schlangen bei der Ausgabe, aber es hat sich verdammt noch mal gelohnt. Was für ein wunderbares Frühstück mit Burrata, Tomaten, Avocado, pochierten Eiern und Salsiccia, leckerem Cappuccino und Gebäck. Kein Wunder, dass es uns immer wieder dorthin verschlug. Und von dort aus machten wir unsere Touren.
Wenn ich von Touren spreche, meine ich kein Abklappern von Sehenswürdigkeiten. Sondern mehr Spazierengehen im Sinne von „der Weg ist das Ziel“. Mal mit der Fähre nach Dumbo (zu einer sehr interessanten Fotoausstellung namens „Photoville“, die mehrere Ausstellungen in dutzenden Containern auf einem großen Grundstück unterhalb der Brooklyn Bridge vereinte, mal auf einen großen Food Market (Essen ist ja so wichtig!) und einmal haben Timo und ich einen halben Tag auf Coney Island verbracht – einem der surrealsten Orte, an denen ich seit Langem gewesen bin; insbesondere aufgrund der Tatsache, dass dort wochentags gegen Mittag quasi nichts los ist.
Mein ursprünglicher Plan war, in New York Bilder mit Timo für eine grosse Bildstrecke zu machen, die ich im nächsten Jahr veröffentlichen wollte, aber nach ein paar Tagen vor Ort hatte ich das Ziel etwas aus dem Fokus verloren. Zu schön war das gemeinsame Erlebnis mit meinen Buddies, zu interessant das „andere“ New York, zu heiss das Wetter und zu lecker das Essen und vor allem das Bier (das viiiieeeel besser ist als sein Ruf, wenn man nur aufhört, die Ziegenpisse aka Budweiser zu trinken). Wie wunderbar kontrovers wir diskutieren konnten – über die Fotografie im Allgemeinen und meine im Speziellen. Wie viel wertvollen Input ich von den beiden bekommen habe und wie sehr sie auch an dem endgültigen Layout von „diversity“ beteiligt waren (denn tatsächlich habe ich die Freigabe für die Druckvorstufe von New York aus erteilt). Irgendwie war da gar keine Zeit für planvolles Fotografieren oder gar einem bestimmten Masterplan zu folgen. Und so machte ich einfach nur nebenbei ein paar Fotos …
Und genau DAS – das unstrukturierte, vermeintlich planlose, aus dem Bauch heraus „Geknipse“ – entpuppte sich als großer Glücksfall! Ich hatte unbewusst die gleiche Vorgehensweise wie bei meinen Porträtshootings auch in New York an den Tag gelegt. Erstmals Streetfotos gemacht ohne mir einen allzu grossen Kopf zu machen. Und bin einfach meiner Intuition gefolgt. Entstanden ist ein Mix aus Street, Porträt und irgend etwas dazwischen. Die Geschichte von drei Freunden, die gemeinsam in New York unterwegs waren und einfach jede Menge Spass hatten. Von drei Fotonerds, die gern essen und trinken und stundenlang über Gott und die Welt philosophieren. Von einer Stadt, die wirklich niemals schläft und in der alles schneller geht als andernorts. „Move fast or get out of the way!“ ;)
Nächstes Jahr gibt’s das Ganze in gedruckter Form – jetzt muss ich das erst mal sacken lassen, aber ein paar Bilder gibt’s schon mal als Vorgeschmack …:
Es war eine großartige Zeit. Und ich werde noch lange davon zehren …
VIELEN DANK, MÄNNERS!
In diesem Sinne: haltet die Ohren steif und bleibt mir gewogen!
Cheers!
Andreas