„Intimbehaarung ist ein absolutes no-go!“ – ein Plädoyer gegen Tabus und für Vielfalt


 
 
Zu den Themen, mit denen man sich als Aktfotograf*In unweigerlich irgendwann beschäftigt, gehört die weibliche Intimbehaarung. Da, wo früher ganz selbstverständlich ein mehr oder weniger ausgeprägter Busch zu sehen war, gilt etwa seit Beginn der 90er Jahre freier Blick auf die Vulva. Komplettrasur ist keine Option, sondern das einzig Angebrachte, wenn man nicht als Freak dastehen will. Intimbehaarung gilt als unhygienisch und absolutes no-go. Dass die Ursprünge der infantilen Intimfrisur in der Pornoindustrie zu suchen sind und das Hygiene-Thema längst wissenschaftlich widerlegt ist, interessiert heute kaum noch Jemanden und die Industrie mit ihren zahllosen Angeboten rund um das Thema Rasur, Waxing und Co. lacht sich in’s Fäustchen.
 
 

 
 
Vor wenigen Tagen postete ein niederländisches Akt-Modell auf Facebook Auszüge eines Chatverlaufs, in dem sie aufgrund ihrer Intimbehaarung beschimpft wurde. Ein „unerträglicher Anblick“ sei dies und man sei geradezu „schockiert“ wie man so heute noch rumlaufen und – schlimmer noch – sich so öffentlich zeigen könne. Mal ganz abgesehen davon, dass diese Aussage natürlich mehr als übergriffig ist und massiv in das Selbstbestimmungsrecht einer jeden Frau eingreift, stellt sich die Frage, was denn genau so schlimm sein soll an Intimbehaarung?
 
 

 
 
Ich persönlich kenne keine Kollegen*Innen aus dem Bereich der Aktfotografie, die ein Problem mit Intimbehaarung bei den Models haben – im Gegenteil! Ich gebe offen zu, dass ich es präferiere, wenn Frau untenrum nicht komplett nackt ist. Zu meiner Art der Aktfotografie – natürlich, ungestellt, authentisch – passt der naturgegebene Zustand (mehr oder weniger getrimmt) einfach besser, zumal ich eine gewisse Zeitlosigkeit in Bildern mag (bei Komplettrasur ist klar, dass es sich um Aufnahmen neueren Datums handeln muss). Ein wichtiges Argument pro Intimbehaarung: ich habe gefühlt mehr Möglichkeiten, den Menschen in Szene zu setzen, ohne befürchten zu müssen, Bilder für’s Biologiebuch zu produzieren. Und ja … auch wenn es abgedroschen klingt: wenn es down under nach jungem Mädchen aussieht, ist mir unwohler – bin ich tatsächlich unsicherer – als wenn mir die Intimbehaarung zu erkennen gibt, dass ich es mit einer erwachsenen Frau zu tun habe.
 
 

 
 
Selbstverständlich will ich keiner Frau vorschreiben, welche Intimfrisur sie zu wählen hat (einer der Gründe, warum ich diesen Aspekt bisher in keiner Shootingausschreibung thematisiert habe) – zur Selbstbestimmung einer Frau gehört meines Erachtens aber auch, Dinge zu hinterfragen und nichts zu machen, nur weil es „alle“ machen. Oder weil irgendjemand es als „en vogue“ erklärt hat. „Normal“ ist, was einem persönlich gefällt (oder vielleicht einfach nur bequemer ist). Und letztendlich muss man die Dinge ja gar nicht schwarz-weiss sehen (sic!) – zwischen komplettem Wildwuchs und Radikalrasur gibt es so viele interessante Zwischenstufen, die ich fotografisch allesamt interessanter finde als den infantilen Look. Die Hersteller von Rasierern und Co. können also entspannt aufatmen …
 
PS: ich habe in meinem Artikel den Begriff „Intimbehaarung“ verwendet, weil ich die immer noch populärere Bezeichnung „Schamhaar“ doof finde. Der menschliche Körper hat in meinen Augen nichts Schamhaftes an sich …