„Shoot your own mag“ – ein ganz besonderer Workshop

Im März 2018 traf ich mich erstmals mit vier Teilnehmern und vier Models zu einem Workshop auf Usedom, den ich Ende 2017 neu konzipiert hatte. Meine Idee war es, den Teilnehmern die Erstellung eines eigenen Magazins zu ermöglichen – das Ganze unter Bedingungen, die so realistisch wie irgend möglich sind. Nur eben komprimiert auf eine Woche.
 
Eine ganze Woche (von Sonntag bis Sonntag) sind wir zusammen auf Usedom – die Bedingungen sind hier einfach ideal. „Von der Konzeptentwicklung bis zum fertigen Print-Magazin“ ist der Inhalt dieses Workshops und die individuelle Ausgestaltung ist mehr als spannend zu betrachten. Aber der Reihe nach:
 
Am Sonntag Abend treffen wir uns alle zum Essen. Teilnehmer und Models haben sich nie vorher gesehen – kennen sich also nicht. Der Abend steht unter dem Aspekt des gegenseitigen Vorstellens und des Small-Talks. Ich sorge dafür, dass sich wirklich jeder Teilnehmer die Zeit nimmt, mit jedem Model zu sprechen – es etwas besser kennenzulernen. Der Abend ist lang und alle tauen mit der Zeit auf …
 
Montag früh treffen wir uns zum gemeinsamen Frühstück. Die Unterhaltungen gehen weiter und im Anschluss an das Frühstück gebe ich bekannt, welcher Teilnehmer welches Model zugeteilt bekommt. Ich lasse mich dabei von meinen Eindrücken leiten, die ich aus den Gesprächen mit Teilnehmern und Models gewonnen habe – aber auch von meinen Beobachtungen als sich alle miteinander unterhalten haben.
 
Wie bedeutsam diese Zuteilung (das sogenannte „Matching“) ist, ergibt sich aus der Tatsache, dass die gebildeten „Pärchen“ die gesamte Woche zusammenbleiben. In genau dieser Konstellation arbeitet jedes Team an einem eigenen Magazin.
 
Am Montag stehen zwei Dinge auf dem Programm: Location-Scouting (ich zeige den Teilnehmern ein paar Plätze auf der Insel, die ich fotografisch interessant finde) und Konzeptentwicklung. Ich setze mich mit jedem Team zusammen und helfe bei der Entwicklung eines Konzepts für das Magazin. Meine Rolle ist dabei stets auf die eines Coaches beschränkt – ich gebe nichts vor, sondern lasse die Teilnehmer selbst ihre Ideen entwickeln. Ich hinterfrage, gebe Tipps und „schubse“ vielleicht mal den ein oder anderen in die richtige Richtung. Am Ende soll ein Magazin entstehen, dass die Handschrift des Teilnehmers (und des Models) trägt – nicht die meine!
 
Dienstag, Mittwoch, Donnerstag wird fotografiert. Jedes Team individuell an den unterschiedlichen Locations. Ich bin bei jedem Team mindestens zwei mal dabei, um mir anzuschauen, was vor Ort passiert. Auch hier gebe ich nur Anregungen und Tipps. Die Leine ist da, aber sie ist sehr lang. Wenn nicht fotografiert wird, trifft man sich im Kaminzimmer des Hotels, das für uns die ganze Woche reserviert ist. Dort sichtet man die gemachten Fotos, macht eine erste Auswahl und bespricht, welche Bilder als nächstes gemacht werden sollen. Alles wird stets mit dem Konzept abgeglichen, das man sich im Vorfeld ausgedacht hat. Unterbrochen wird das Alles nur von den Essenpausen – auch nach dem Abendessen geht es weiter. Ich spreche mit allen Teams individuell und coache sie. Wichtig: die ganze Zeit sind die Models eingebunden – ihre Rolle ist nicht auf die Präsenz vor der Kamera beschränkt. Sie bringen sich in die gesamte Entstehung ein, was nicht bedeutet, dass Models (und Teilnehmer) nicht auch mal Zeit für eine kleine Erholungspause (z.B. im Wellnessbereich des Hotels) haben.
 
Freitag wird gesichtet, was fotografisch im Kasten ist und wir überprüfen gemeinsam, ob nicht noch das ein oder andere Motiv für die Geschichte (für das Konzept) fehlt. Diese Einzelbilder werden am Freitag nachgeschossen – ansonsten ist der Freitag der Tag der Wahrheit, was die Bildauswahl angeht. Die Favoriten werden so lange eingedampft bis die Endauswahl für das Layout feststeht. Diese Endauswahl findet anhand von gedruckten Bildern statt – zu diesem Zweck bringe ich einen Laserdrucker mit, auf dem die Teilnehmer all ihre Favoriten ausdrucken können.
 
Mit der Endauswahl wird am Samstag das Layout erstellt. Zu diesem Zweck haben alle Teilnehmer einen Laptop mit dem installierten Programm „BookWright“ von Blurb dabei. Ich gebe Hilfestellung bei Bildauswahl und Layout – all mein Wissen aus den Bildbänden und meinem Artbook „aj“ fliesst hier ein. Samstag Abend schliesslich sind alle Magazine fertig layoutet und ich sammle die entsprechenden Druckdateien auf einem USB-Stick ein und lasse sie bei Blurb printen, so dass jeder Teilnehmer zwei Exemplare des 72seitigen Magazins nach Hause geschickt bekommt (eines für sich, eines für das Model).
 
Was ist das Besondere an diesem Workshop? Nachdem dieser nun schon etliche male stattgefunden und sich zu einem echten Dauerbrenner entwickelt hat, darf ich sagen, dass ich noch nie so viel Spass bei der Konzeption und Umsetzung eines Workshops hatte wie bei diesem. Alle Teilnehmer, die bisher dabei waren, haben völliges Neuland betreten. Keiner von ihnen hatte jemals ein Magazin für sich gemacht. Kaum einer von ihnen hatte überhaupt jemals in BildSTRECKEN gedacht. Die fotografischen Vorkenntnisse waren bunt gemixt – vom Hobbyfotografen bis zur Profi-Fotografin war alles dabei. Und keiner hat irgendwann in irgendeiner Form den Anschluss verloren oder das Gefühl gehabt, dem Ganzen nicht gewachsen zu sein. Im Gegenteil: es hat mir diebische Freude bereitet, zu sehen, dass wirklich alle aus ihrer Komfortzone gekommen sind. Dass sich alle der Herausforderung gestellt haben, sich intensiv auf den Menschen vor der Kamera einzulassen. Dass sich die meisten von ihnen überhaupt zum ersten Mal Gedanken darüber gemacht haben, was sie mit ihren Bildern aussagen wollen.
 
Es waren einige Teilnehmer dabei, die ich schon vor diesem Workshop schon längere Zeit kannte und deren fotografische Entwicklung ich bereits vorher beobachten konnte. Sie ALLE haben innerhalb dieser Woche einen enormen Schritt nach vorn gemacht und zum Teil sogar wieder richtig die Lust an der Fotografie zurückerlangt. Das nachfolgende Video von Sarah Bugar ist beim Workshop im November 2021 entstanden und gibt einen kleinen Einblick in das, was ich versucht habe, hier mit meinen Worten wieder zu geben.