Foto: Yasemin Roos
aj’s trivia*
(Folge 103)
*trivia: „wissenswerte Kleinigkeiten, „dies und das, manchmal auch Kurioses“ [Wikipedia]
Wir haben den letzten Tag des Jahres 2019. Und was macht man traditionell am letzten Tag eines Jahres? Man schaut und hört den ganzen Tag Konzerte auf 3Sat und schreibt einen Jahresrückblick für all Jene da draussen, die das nicht interessiert. Also könnte man ja eigentlich auch drauf verzichten, oder? Ich meine natürlich den Jahresrückblick; denn „Pop around the clock“ (was für ein bescheuerter Name) auf 3Sat ist Pflicht. Nicht verhandelbar. Eben lief das Anniversary-Konzert von The Cure im Londoner Hyde-Park. Wahrscheinlich schon das Highlight des heutigen Tages und ich habe jede Minute genossen. 40 Jahre stehen die „alten Männer“ schon auf der Bühne und ich habe das Gefühl, dass sie jedes Jahr besser werden. Ich kann mich an Konzerte in den 90er Jahren von The Cure erinnern, bei denen Robert Smith nicht unbedingt in Hochform war, aber das ist alles Schnee von gestern. Hier und jetzt spielen sie 90% der Interpreten von heute in Grund und Boden. Sehr inspirierend. Und sehr ermutigend wenn man so alt ist wie ich …
Ich sitze hier also in meinem Haus in Alkersum auf Föhr und schreibe die erste trivia seit langer Zeit und warum das so ist und warum das so lange gedauert hat, wird im Laufe des Textes vielleicht noch klar (ich weiss es noch nicht – ich weiss eigentlich nie, wo ein Text von mir endet, wenn ich damit anfange … früher hat mir das Angst gemacht, heute lasse ich es einfach zu … löschen kann ich ja hinterher immer noch …). Das Museum, auf dessen Einladung ich für sechs Wochen auf der nordfriesischen Insel bin, nennt das Haus, in dem ich wohne, übrigens „Künstlerresidenz“. Das gefällt mir irgendwie. Da wird man fast schon zwangsläufig kreativ …
SECHS Wochen im Winter auf einer nordfriesischen Insel – was zum Teufel macht man eigentlich in dieser ganzen Zeit? Wenn man nicht an Langeweile zugrunde gehen will? Übermorgen feiere ich Bergfest und ich konstatiere: hier ist alles – nur nicht langweilig! Allein schon deswegen, weil es ein Projekt ist, das ich in der Form noch nie gemacht habe. Auch inhaltlich: es soll um junge Menschen auf der Insel gehen. Wie verbringen sie ihre Zeit? Wie leben sie? Was machen sie? Wollen sie hier weg oder sind sie hier verwurzelt? Was ist gut hier? Und was sind die Schattenseite der Insellage – gerade für junge Menschen? Das war mein Thema auf dem Reissbrett – das Museum fand das interessant genug, um zu sagen „dann komm mal her und mach mal!“.
Jetzt sind knapp drei Wochen vergangen und ich bin einen ganzen Schritt weitergekommen. Habe ich schon viel fotografiert? Habe ich nicht! Was habe ich getan? Ich habe Kontakt mit den Menschen aufgenommen, ich habe das Gespräch gesucht. Ich bin in die Schule gegangen und habe bei verschiedenen Klassen am Kunstunterricht teilgenommen. Weil die Schule das Projekt unterstützt, wofür ich sehr dankbar bin. Ich habe viele Schüler und Schülerinnen der 9. und 10. Klasse sowie der Oberstufe kennengelernt. Die alle sehr aufgeschlossen waren. Ich habe mir angehört, was sie in ihrer Freizeit machen und ich habe ein Gefühl dafür entwickelt, wie das hier so läuft auf der Insel. Ich habe mit den Menschen gefeiert – und feiern können sie hier … Hallelujah! Ich habe von Bräuchen erfahren, die mir bisher fremd waren und von etlichen anderen Dingen, die mich neugierig gemacht haben. Das meiste davon versuche ich, in den nächsten drei Wochen zu fotografieren. Die Menschen vertrauen mir jetzt und sie empfangen mich mit offenen Armen. Auch und gerade die Eltern, was ja auch in rechtlicher Hinsicht nicht ganz unwichtig ist. Und dafür bin ich sehr dankbar.
Hatte ich anfangs den Eindruck erweckt, sechs Wochen seien eine verdammt lange Zeit für ein solches Projekt? Sie sind es ganz und gar nicht – im Prinzip ist es unmöglich, in dieser Zeit ein umfassendes Bild von dem Leben junger Menschen auf einer nordfriesischen Insel zu zeichnen, aber mit ein wenig Glück muss es das ja nicht gewesen sein. Vielleicht geht es ja im Frühjahr weiter – mal schauen …
Übrigens: wer einen kleinen Eindruck von dem bekommen will, was ich hier so mache, kann ja mal in den Instagram-Feed vom Museum Kunst der Westküste reinschauen (@museumkunstderwestkueste). Die Social Media – Beauftragte des Museums dokumentiert hin und wieder mein Treiben auf der Insel. Ich selbst poste nur ein paar Handy-Bilder – die sind aber auch sehr schön … ;)
Wenn ich schon auf einen Jahresrückblick verzichte (und es fällt mir nicht leicht bei DIESEM Jahr), will ich mich wenigstens nicht einer anderen lieb gewordenen Tradition verschliessen: den GUTEN VORSÄTZEN!
Mein guter Vorsatz für das nächste Jahr ist eigentlich nur eine Fortführung dessen, was ich im Laufe dieses Jahres begonnen habe – teils mangels Zeit, teils aus Überzeugung: ich möchte gern nur noch vor das Mikro gehen, wenn ich wirklich etwas zu erzählen habe. Ich weiss, dass man in diesen Zeiten dafür abgestraft wird, wenn man nicht regelmäßig etwas „raushaut“ (Reichweite und so), aber am Ende des Tages ist es doch so: niemand hat regelmäßig etwas Substantielles zu vermelden – etwas, das er mit Herzblut und Leidenschaft erzählen kann. Auch ich nicht. So wie ich als Fotograf auch nur das zeige, das ICH gut finde, mit dem ICH mich identifizieren kann, will ich das auch mit den „Drumherum“ handhaben und nicht allzu routiniert möglichst viele Kanäle bespielen. Gern erzähle ich auch weiterhin von meinen Arbeiten, meinen Bildern, meinen Projekten. In Form von Podcast, Interviews und lieber noch in Form von Vorträgen (wenn ich die Menschen vor mir sehe, die mir zuhören). Aber eben nicht dauernd und regelmäßig – allein schon um Zeit für solch wunderbaren Projekte wie das jetzige auf Föhr zu haben. Von der Einstellung einer/s Social-Media-Beauftragten, die in meinem Namen die sozialen Kanäle bespielt, habe ich mangels Zeit *hüstel … bisher abgesehen und so richtig kann ich mir das für mich auch nicht vorstellen. Aber wer weiss, was noch kommt.
„The times they are a-changin“ …
Dafür schreibe ich künftig wieder etwas mehr (über 10 Wochen zwischen zwei trivias sind definitiv nicht akzeptabel) – wenn der Tag zur Ruhe kommt, nehme ich mir wieder etwas mehr Zeit dafür. Und Ruhe habe ich hier auf der Insel. Nachts ist es hier dunkel und ruhig – wirklich sehr DUNKEL und sehr RUHIG! Deswegen gibt’s die nächste trivia auch schon in der nächsten Woche …
Euch Allen wünsche ich einen guten Start in das Jahr 2020!
In diesem Sinne: haltet die Ohren steif und bleibt mir gewogen!
Cheers!
Andreas
2 Beiträge zum Thema "aj’s trivia (#103) – Dezember 2019"
Hallo Andreas,
ein gesundes Neues Jahr wünsche ich dir und deiner Frau!
Dieses Mal habe lege ich bei deiner Trivia einen Widerspruch ein, weil du meinst, dass 10 Wochen Pause zur nächsten Trivia zu lange sind. Gut Ding will Weile haben! Die Fine Art Photo kommt auch nur alle halbe Jahre raus. Und auch wenn der Monat der nächsten Ausgabe feststeht, heißt das noch lange nicht, dass sie am ersten Tag des Monats rauskommt. (Mich hat es ehrlich gefreut, dass du in dieser Ausgabe dabei bist :-) )
Ich habe es deiner jetztigen Trivia auch irgendwie angemerkt, dass 10 Wochen vergangen sind. Das spüre ich , wenn ich sie lese!
Grüße, Markus
Klingt ganz interesannt das Projekt. Das wichtigste ist der Zugang zu den Menschen. Aber da hast du ja beste Erfahrung. Da bin ich schon mal gespannt auf das Ergebnis. Alles Gute im Neuen Jahr!
Robert
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