aj’s trivia (#58)


Foto: Yasemin Roos
 
aj’s trivia*
(Folge 58)
 
*trivia: „wissenswerte Kleinigkeiten, „dies und das, manchmal auch Kurioses“ [Wikipedia]
 
Diese Woche startet meine trivia gleich mal mit einer klassischen trivia – und die geht so:

„Die Hummel ist das einzige Insekt, das auch rückwärts fliegen kann.“
 
Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich. Nächste Woche berichte ich dann vielleicht von rückwärts schwimmenden Fischen – wer weiss … ;)
 
Was war los in dieser Woche? Mein Highlight war sicher die persönliche Einladung zum Konzert von Kettcar in der Grossen Freiheit in Hamburg. Ich mag Kettcar und ich wollte schon immer mal ein Konzert im legendären Kaiserkeller in der Grossen Freiheit miterleben und so bin ich dann also am Montag nach Hamburg gedüst. Mein Fazit ist nicht neu, wurde aber mal wieder auf’s Neue bestätigt: Tausche drei Stadion-Konzerte gegen ein Club-Konzert! Nichts ist geiler als die intime Atmosphäre eines Konzerts in einem Raum wie dem in der Grossen Freiheit 36! Und ich verstehe jeden Musiker, der sagt, dass für ihn nichts über diese Konzerte geht. Es war einfach großartig zu sehen, wie sehr es die Jungs von Kettcar genossen haben – wie sehr sie berührt und gerührt waren von dem Empfang und von dem Feedback des Publikums. Es war mal wieder einer der Momente, in dem ich mir wünschte, Musiker geworden zu sein. Das einzige, das mich damals daran hinderte: ich konnte nicht singen und ich konnte kein Instrument spielen. Heute ist das schon lange kein Hindernis mehr, trotzdem Karriere zu machen, aber damals als ich jung war (Ihr wisst schon: „damals vor’m Krieg“), war das noch ’n büschen anders … ;)
 
 

 
Vergangenes Wochenende habe ich eine grosse – eine wirklich grosse – Ausnahme gemacht: sowohl Samstag als auch Sonntag habe ich fotografiert. Normalerweise gehört ein freies Wochenende (das es eh selten genug gibt) nur einer Person: der besten Ehefrau von Allen. In beiden Fällen sind die Protagonisten von weither gereist und haben einige Mühen auf sich genommen und beide haben aufgrund anderweitiger Verpflichtungen nur am Wochenende Zeit. Und beide wollte ich halt unbedingt fotografieren und deshalb gab’s die Ausnahme. Übrigens ein ganzes Wochenende nur analog – meine neue (alte) Pentax 67 wurde eingeweiht und entgegen meiner Gepflogenheiten in den Vorjahren verzichte ich seit geraumer Zeit auf Netz und doppelten Boden: kein Backup – weder digital noch analog. Die Pentax und sonst nix. Und das hat ziemlich entschleunigt – mehr als mir zunächst lieb war; denn eines war neu für mich: ich kenne den Filmwechsel von der Hasselblad und von der Mamiya und er geht bei mir ziemlich schnell vonstatten. Und wenn ich es besonders eilig habe, lade ich einfach vorab ein paar Magazine, die ich dann am Set einfach nur schnell wechseln muss. Aber das geht mit der Pentax nicht. Sie hat nämlich keine Wechselmagazine – ungewöhnlich für eine analoge Mittelformatkamera und dem Formfaktor einer (grossen) Spiegelreflexkamera geschuldet. Aber nicht nur das: das Filmeinlegen ist bei der Pentax (zumindest wenn man a) keine Übung und b) Grobmotoriker ist wie ich und c) Wurstfinger hat wie ich, nichts anderes als a pain in the ass. Wer sich die fiddeligen Nubbsies (keine Ahnung, wie man die nennt) hat einfallen lassen, in die die Filmpatronen einrasten sollen, soll lebenslang Juckreiz haben – an Stellen, an denen man sich nicht kratzen kann …. [wer sachdienliche Hinweise hat, wie das schneller/besser/leichter geht – also das mit den Filmpatronen einfiddeln -, darf sich gern vertrauensvoll an mich wenden – vielleicht/wahrscheinlich mache ich irgendetwas Grundliegendes falsch … ich kann/will mir nicht vorstellen, dass das so sein muss …]
 
Und so liefen die Fotosessions dann noch etwas ruhiger und entspannter ab als man das eh schon bei mir gewohnt ist – mit vielen Pausen (jeweils nach 10 Aufnahmen), die jeweils recht lang gerieten – aus Gründen wie oben beschrieben. Aber wie sagte schon unser Altkanzler? „Entscheidend ist, was hinten rauskommt„. Und da hat er Recht gehabt; denn die Ergebnisse lassen den ganzen Kummer und Schmerz doch ziemlich schnell vergessen. Mehr dazu dann demnächst in diesem Theater …
 
Heute hatte ich dann Mayté zu Besuch im Atelier. Aus Berlin kommt sie und ich hatte sie kürzlich auf Instagram angeschrieben. Wenn es meine Zeit erlaubt, gehe ich zunehmend dazu über, Menschen, die mir auf Facebook/Instagram etc. auffallen, anzuschreiben und zu mir nach Haan einzuladen. Ich mag einfach keine Bewerbungen mehr abarbeiten, weshalb ich wenn irgend möglich auf Ausschreibungen verzichte. Was nützen mir die >200 Bewerbungen, die ich im Durchschnitt auf meine Ausschreibungen bekomme, wenn ich anschließend 199 Absagen zu verteilen habe – und sei es nur durch „Nicht-Antworten“. Ich HASSE es, Absagen zu verteilen. Da hilft all die Bauchpinselei durch die vielen Bewerbungen nichts. Aber ich schweife ab … Mayté war heute da und weil ich heute mal digital fotografiert habe, konnte ich ihr bereits ein paar Stunden nach der Verabschiedung die ersten Bilder schicken (ich habe mir ein neues Import-Preset gebastelt, das meine durchschnittliche Bearbeitungsdauer auf unter 30 Sekunden drückt***). Und weil ich so begeistert bin von Mayté, habe ich sie vom Fleck weg für einen Akt-Workshop im Oktober engagiert. In Kürze gibt’s die Infos auf meiner Webseite nachzulesen.
 
***nein! Ich verkaufe das Preset NICHT! ;)
 
 

 
Dass ich nicht mehr regelmässig Bewerbungen abarbeiten will, hat übrigens noch einen anderen Grund – einen Grund, der etwas mit meinem Grundverständnis der Porträt-Fotografie zu tun hat. Ausschreibungen und die Bewerbungen, die diese nach sich ziehen, haben immer so etwas von einem Casting. Und Castings gehören nach meinem Verständnis nicht in die Porträt-Fotografie. Ich suche ja eben NICHT Germanys Next Top Model. Deswegen hat mich auch eine Nachricht besonders geschmerzt, die ich erst vor Kurzem erhalten habe (ich zitiere in Auszügen):

„[…], dass das Model doch extrem abgemagert wirkt. Eigentlich mag ich Deine Bilder, weil Du eben […] sonst nicht auf diesen Modelltyp zurückgreifst.“
 
Ich bin sehr sicher, dass der Absender das nicht böse meint, aber beim Thema Bodyshaming bin ich etwas sensibel – ich selbst bin ja ganz happy, dass Fotos, auf denen ich zu sehen bin, nicht mit „der ist ja gut im Futter“ (=fette Sau!) oder „mach ma Diät!“ oder ähnlich Geistreiches kommentiert wird. In unserer Gesellschaft gibt es einen weitgehenden Konsens darüber, dass man Übergewichtige nicht öffentlich mobbt. Wieso gibt es diesen Konsens nicht auch für die (vermeintlich!) Untergewichtigen? Ungesund ist übrigens beides – just sayin‘ … ;)
 
Ich bin auch nicht wirklich glücklich mit der Aussage „dass Du nicht auf diesen Modelltyp zurückgreifst„. Ich stelle hiermit fest: ich habe keinen „Modelltyp“ – ich fotografiere MENSCHEN. Das Leben ist vielfältig – im Guten wie im Schlechten. Porträtfotografie ist nicht dazu da, zu idealisieren. Auch wenn viele Fotografen einen gegenteiligen Eindruck erwecken. Finde ich einen dicken Menschen interessant, fotografiere ich ihn. Finde ich einen dünnen Menschen interessant, fotografiere ich ihn. In beiden Fällen fotografiere ich ihn so, wie ich ihn sehe. Ich mache den dicken Menschen nicht via Photoshop dünner und den dünnen nicht dicker. Schon gar nicht käme ich auf die Idee, den Menschen gar nicht zu fotografieren, weil ich ihn zu dick/dünn/gross/klein/jung/alt/schwul/farbig finde. Allerdings – und diese Einschränkung muss an dieser Stelle leider sein – ich versuche, keine Menschen zu fotografieren, die ich uninteressant und/oder doof finde. Fair enough – oder nicht?

[Und dennoch bitte ich all die dicken/dünnen/grossen/kleinen/jungen/alten/schwulen/farbigen Menschen, sich jetzt NICHT bei mir zu bewerben (Grund siehe oben)! Vielleicht finde ich Euch ja und dann schreibe ich Euch an! ;)]
 
 

 
Was war noch in dieser Woche: ich hatte eine nette Anfrage von einer Fotografin, die gemeinsam mit einem Kollegen ein kleines Fotoevent veranstaltet und dafür ein paar „Goodies“ zum Verlosen benötigt. „Ob ich denn bereit wäre, eine Kleinigkeit für diese Tombola zu spenden?“ und weil sie so nett fragte, habe ich ihr nett geantwortet (und etwas zur Verfügung gestellt). Sie hat sich sehr gefreut und alles war Wunderschön (ich mache gern anderen Menschen eine Freude) und dennoch gab es da diesen einen bittersüssen Moment als sie nämlich im Nachgang folgende Zeilen schrieb:

„Ich bin ganz begeistert, zumal alle gesagt haben, Du kannst doch nicht Andreas Jorns fragen, Du bist doch Niemand (stimmt auch).“
 
Ganz ehrlich? So etwas zu lesen, macht mich betroffen. Ist diese Denke tatsächlich so verbreitet? Wenn ja, ist das ganz furchtbar – und zwar auf vielen Ebenen: 1. Niemand ist Niemand! 2. Nur weil Jemand ein paar nette Bilder gemacht hat, ist er als Person (!) keinen Deut wichtiger und/oder besser als andere! 3. Nach meiner Beobachtung wird jeder, der als Mensch (!) etwas auf sich hält, stets versuchen, derartige Anfragen zu beantworten. Was eine höfliche Absage nicht ausschliesst, aber das sollte keinen davon abhalten, es zu versuchen! Personenkult ist Mist. BASTA!
 
Mein letzter Musik-Tipp in dieser Woche kommt aus der Rubrik „hab ganz vergessen, wie geil die mal waren„. Aerosmith ist so eine Band, die erst spät in den Fokus der Allgemeinheit gerieten – als sie schon ziemlich mainstreamig unterwegs waren. Ein paar hübsche Rockballaden, aber so richtig gecatcht haben die mich eigentlich nie. Bis ich irgendwann mal die ganz alten Scheiben von ihnen entdeckt habe – insbesondere die erste LP aus dem Jahr 1973. Steven Tyler klang irgendwie noch ganz anders und die Jungs waren noch sehr viel näher beim Blues als später dann. Das ganze Album ist grandios, aber „Dream on“ wird immer mein Favorit bleiben – und viele Jahre später hat ein weisser Rapper den Song dann für einen seiner Songs gesampelt …
 
 

 
 
In diesem Sinne: haltet die Ohren steif und bleibt mir gewogen …
 
Cheers!
Andreas